Wie finde ich die zu mir passende Gewohnheit?

Die regelmäßige Leser*in dieses Blogs wird schon gemerkt haben, dass ich ein großer Freund von Gewohnheiten bin. Zum einen entlasten sie uns von der Aufgabe, die Bewältigung regelmäßiger und langfristiger Aufgaben mit immer neuer Selbstdiszplin vorantreiben zu müssen (Automatisierung statt Selbstdiszplin). Zum anderen stärken sie die Konzentration auf die Ausführung einer Tätigkeit statt auf deren Erledigung, was wiederum mehr Zufriedenheit während der Aufgabebearbeitung ermöglicht (Prozessorientierung statt Ergebnisorientierung). Hat man dies einmal verstanden, dann ist der nächste Schritt, sich zu überlegen, welche neue Gewohnheit man denn nun in sein Leben integrieren möchte. Aber Vorsicht! Bei dieser Auswahl einer neuen Gewohnheit gibt es einen Fallstrick, der die ganze Gewohnheitseinführung, auch wenn sie mit noch so vielen Unterstützungstricks geplant wurde, zu Fall bringen kann.

Sehen wir uns mal das folgende Beispiel an: Angenommen, ich fühle mich körperlich nicht fit. Und möchte darum Sport treiben. Die Läufer, die ich morgens jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit sehe, imponieren mir. Ich denke mir: Wenn ich auch so diszpliniert jeden Morgen vor der Arbeit Laufen gehen würde, dann wäre ich in Nullkommanichts ein Topsportler. Und zur Unterstützung, ich möchte es ja gleich richtig angehen, mache ich noch funktionales Krafttraining. Ist ja auch wichtig, um Fehlbelastungen zu vermeiden. Als nächstes gehe ich in ein Sportgeschäft und kaufe mir neue Laufschuhe. Und weil ich schon mal da bin, auch gleich einen Satz schicke neue Laufklamotten. Ich bin motiviert, das Ziel vom Traumkörper zieht mich an, ich stelle mir den Wecker extra früher und gehe tatsächlich Laufen. Bis dahin scheint alles ganz wunderbar. Warum bloß denke ich mir nach einer Woche morgens im Bett, wenn der Wecker klingelt: „Heute gehe ich mal nicht Laufen, war ja schon die letzten Tage.“ Und am darauffolgenden Tag auch. Am übernächsten Tag kann ich nicht, da habe ich morgens einen Termin. Dann ist die Woche ja eh schon vorbei… Und das war’s. Laufkarriere wieder beendet. Was ist hier passiert? Warum bin ich an meiner neuen Gewohnheit nicht dran geblieben?

Das Hauptproblem ist hier vermutlich (neben einer fehlenden Planung zusätzlicher Unterstützung für die neue Gewohnheit, wie du sie hier lernen kannst) die Auswahl der neuen Gewohnheit selbst. Das Problem hier ist, dass ich die neue Gewohnheit vom Ziel her denkend ausgewählt habe. Ich habe mir überlegt, wo ich hin möchte („Traumkörper“) und eine Gewohnheit ausgewählt, die mich möglichst schnell da hin bringen soll. Damit geht einher, dass ich mich vom Image der Sportart habe blenden lassen. Das Bild von mir selbst, das ich mir ausgemalt hatte, hat mir gefallen. Mein zukünftiges Selbst, das jeden Tag Laufen geht, hat mir gefallen. Mir gefiel die Idee, diese Gewohnheit in meinem Leben zu haben. Was in all diesen Überlegungen gar nicht vorkommt, ist die folgende Frage: Macht mir Laufen eigentlich Spaß?

Und genau darum war die neue Gewohnheit Laufen im obigen Beispiel zum Scheitern verurteilt. Während des Laufens habe ich vielleicht gar keine Glücksmomente, sondern denke mir nur: „Wann ist das hier endlich vorbei?“. Das Ziel Traumkörper ist sehr weit entfernt (je nach Ausgangszustand vielleicht Jahre), das kann mich nur schwer über eine so lange Zeit hinweg motivieren. Darum ist so viel wichtiger, dass die Ausführung der Tätigkeit selbst mir schon Zufriedenheit verschafft. Tätigkeiten, während derer ich Spaß habe, oder die mich direkt danach mit einem angenehmen Körpergefühl zurücklassen, die werde ich freiwillig öfter ausführen. Da werde ich mit jeder Ausführung mehr und mehr Lust bekommen. Daraus wird dann eine Gewohnheit werden. Aber Tätigkeiten, die mich unbefriedigt zurücklassen, werde ich am Anfang, wenn das motivierende Fernziel noch alles überstrahlt, einige Male ausführen. Aber wenn dann die Niederungen des Alltags einkehren und die anfängliche Begeisterung verblasst, dann wird sich die Unlust durchsetzen, die ich während dieser Tätigkeit empfinde. Und ich werde mit dieser Aktivität aufhören, bevor sie jemals zu einer Gewohnheit werden konnte. Heißt das jetzt, die Person im Beispiel oben muss für immer unsportlich bleiben? Nein. Sie muss sich nur auf die Suche machen, welche Form der körperlichen Bewegung ihr wirklich Freude bereitet. Vielleicht Tischtennis? Frisbee? Rollschuhfahren? Baumstammweitwurf?

Manch eine*r denkt sich jetzt vielleicht: „Wie unpraktisch! Ich will aber Gewohnheiten etablieren können, wie ich will! Ich will mich nicht dadurch beschränken lassen, dass ich darauf achten muss, wie zufriedenstellend die Gewohnheit ist! Ich will die effizientesten Gewohnheiten haben, um meine Ziele möglichst schnell zu erreichen!“ So jemand bedauert nun, dass die eigene Psyche, die auf Zufriedenheit aus ist, ihr/ihm da einen Strich durch die Rechnung macht. Meine Antwort darauf ist: Sei froh! Diese Eigenschaft deiner Psyche bewahrt dich vor der Sklaverei. Wie das? Das hat mehrere Gründe. Die meisten Menschen sind erstaunlich schlecht darin, vorhersagen zu können, was ihnen wie gut tun wird. Sie malen sich aus, dass es ganz toll wäre, ein bestimmtes Ergebnis erreicht zu haben, und wenn es dann tatsächlich eingetreten ist, was sie sich so dringend gewünscht haben, stellen sie fest: Naja, auch nicht anders als vorher. Ganz abgesehen davon, dass es sowieso ein Ding der Unmöglichkeit ist, den eigenen Lebensverlauf vorhersehen zu können. Niemand kann wissen, was zu was führt. Vielleicht sitzt du, nachdem du entlassen wurdest, deprimiert in der Kneipe und glaubst, dass die Entlassung definitiv ein großes Unglück für dich ist. Und dann sitzt da zufällig jemand neben dir an der Bar, der sich deine Geschichte anhört und dir dann einen neuen Job anbietet, der sich als viel angenehmer als der bisherige entpuppt… Es bewahrheitet sich hier, was schon die Weisen sagten: Glück ist kein Zustand, den es zu erreichen gilt. Glück ist eine Art des Sehens.

Genau das ist vielen Menschen aber nicht wirklich bewusst. Stattdessen glauben wir, wir müssten irgendetwas erreichen, um glücklich sein zu können. Und damit wäre die Basis gelegt für eine gnadenlose Sklaverei: Wenn ich mich mithilfe von neuen Gewohnheiten so formen könnte, dass ich perfekt angepasst bin an diejenigen Ziele, von denen ich mir Glück verspreche, dann stelle ich mein ganzes Sein in den Dienst des Erreichens dieser Ziele. Mein Leben wird zum Werkzeug der Zielerreichung. Damit bin ich der perfekte Arbeitssklave. Ich brauche keinen Sklaventreiber mehr, denn den habe ich schon vollständig integriert. Keine äußere Kraft könnte mich mit Zwang dazu bringen, so perfekt auf ein Ziel hinzuarbeiten, wie die Idee, dass ich nur dann glücklich sein werde, wenn ich dieses Ziel erreicht haben werde. Mein Leben aber würde an mir vorbei ziehen, während ich nach diesen Zielen strebe. Und darum würde ich jede Chance verpassen, jemals glücklich sein zu können. Das ist der Grund, warum wir dankbar dafür sein können, dass wir nicht jede beliebige Gewohnheit, die zu unserer Zufriedenheit nichts beiträgt, einfach so in unser Leben integrieren können. Das bewahrt uns davor, unser eigener Sklaventreiber zu werden und hilft uns, die eigene Zufriedenheit jetzt, hier und heute, wichtig zu nehmen.

Viel Spaß bei der Auswahl deiner neuen Gewohnheit!

Wie man es schafft, dass eine neue Verhaltensweise zur Routine wird

Was ist der Sinn des Gewohnheitsaufbaus?

Viele Menschen haben bereits verstanden, dass man für ein zufriedenstellendes Leben zufriedenstellende Gewohnheiten braucht. Das liegt zum einen daran, dass dein Alltag aus diesen Gewohnheiten besteht. Deine Gewohnheiten sind diejenigen Aktivitäten, mit denen du die meiste Zeit verbringst. Damit sind deine Gewohnheiten dein Leben.

Zum anderen sind die allermeisten Ziele, die es wirklich wert sind, angestrebt zu werden, nicht von heute auf morgen erreichbar. Dazu braucht es meist ein kontinuierliches Bemühen über einen langen Zeitraum hinweg. Und genau das ist ohne Gewohnheiten, wenn man sich jeden Tag aufs Neue motivieren und disziplinieren muss, sehr schwer umzusetzen. Eine passende Gewohnheit hingegen nimmt einem diese Arbeit ab. Mit einer Gewohnheit kannst du die regelmäßigen Tätigkeiten, die dich über die Zeit hinweg deinem Ziel näher bringen, automatisieren. Du musst dann keine Kraft und Anstrengung mehr aufbringen, um diese Tätigkeit zu beginnen. Diese für dich so wichtige Tätigkeit ist zum Selbstläufer geworden. Genau da wollen wir hin. Und viele andere auch, wovon die unzähligen Habbit-Tracker-Apps, Selbsthilfebücher zu diesem Thema und nicht zuletzt diese Website hier zeugen.

Was ist notwendig, damit eine Gewohnheit entsteht?

Die zentrale Bedingung schlechthin, die für eine gelingende Automatisierung erforderlich ist, ist die Verknüpfung der neuen Tätigkeit mit einem guten Trigger (Auslösereiz). Wir brauchen ein Signal, das für unser Gehirn auf lange Sicht bedeuten soll: „Führe jetzt die Gewohnheit aus!“ Wenn es keinen klaren Auslöser für unsere neue Gewohnheit gibt, dann müssen wir ja selbst jedes Mal die Entscheidung treffen, ob wir die Tätigkeit in diesem Moment, der gerade vor uns liegt, ausführen wollen oder nicht. Das ist nicht nur ein Einfallstor für Prokrastination („ähh… nee, mache ich irgendwann später“), sondern auch das Gegenteil von Automatisierung: Wir wollen die bewusste Kontrolle und Notwendigkeit zur bewussten Initiation einer Verhaltensweise ja gerade an die Gewohnheit delegieren. Wir wollen uns nicht mehr fragen „Soll ich oder soll ich nicht?“. Wir wollen, dass wir wie von Geisterhand gesteuert die Wunschtätigkeit ausführen, ohne selbst nochmals aktiv darüber nachdenken zu müssen. Darum brauchen wir eine Auslösesituation, die dann mit der Zeit die ganz eindeutige Bedeutung erhält: „Tue es jetzt!“

Was macht einen guten Trigger aus?

Schon in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts haben die klassischen Behavioristen (Pawlow (der mit dem Hund, der nach dem Glockenton sabbert), Watson, Skinner, etc.) sich daran gemacht, die Bedingungen zu isolieren, unter denen Lernen gelingen kann: Die Verknüpfung zwischen einem Reiz und einer Verhaltensreaktion gelingt umso besser, je besser die Bedingungen Kontiguität, Konsistenz und Informativität gewährleistet sind. Was heißt das?

Kontiguität

Damit ist nichts anderes als zeitliche und räumliche Nähe gemeint. Klar ist: Wenn in China ein Sack Reis umfällt, dann werde ich hier in Deutschland daran keine Verhaltensweise knüpfen können. Das heißt aber auch: Wenn ich erst 10 Minuten nach dem Weckerklingeln aufstehe, dann wird mein Gehirn die Bewegungen des Aufstehens nur schwer mit dem Wecker assoziieren. Dann wird das Aus-dem-Bett-Kriechen immer ein bewusster Akt bleiben, zu dem ich mich eigens motivieren muss. Wenn ich dagegen immer direkt nach dem Klingeln die Decke zur Seite schiebe, dann wird sich viel leichter eine Verknüpfung zwischen Ton und Verhalten einstellen.

Konsistenz

Diese Verknüpfung zwischen Ton und Verhalten wird aber nur dann gelingen, wenn das Verhalten auch möglichst immer auf den Ton folgt. Wenn ich die Decke manchmal zur Seite schiebe, manchmal aber auch nicht – woher soll der einfach gestrickte Teil unseres Gehirns dann wissen, dass das Zur-Seite-Schieben der Decke was mit dem Klingeln des Weckers zu tun hat? Die Verbindung zwischen Reiz (hier: Klingeln) und Reaktion (hier: Decke wegschieben) muss also konsistent, d.h. zuverlässig sein.

Informativität

Die dritte Bedingung, ohne die wir keine Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion herstellen werden, ist der Informationsgehalt. Es ist wichtig, dass der Reiz, der ein bestimmtes Verhalten auslösen soll, auch Information trägt. Nehmen wir als Beispiel mal den Fall, dass ich abends auf dem Sofa sitze und den Wunsch habe, um 23 Uhr den Fernseher auszuschalten, um rechtzeitig ins Bett zu kommen. Jetzt könnte ich mir vornehmen, um 23 Uhr den Fernseher auszuschalten. Das Problem ist, dass die Uhrzeit an sich an der Situation nichts Wesentliches ändert. Ich sitze da und eine Sekunde gleicht der anderen. Zwischen 22:59:59 und 23:00:00 Uhr besteht kein irgendwie spürbarer Unterschied. Darum eignet sich eine Uhrzeit allein auch nicht als Trigger. Anders sieht es aus, wenn ich mir einen Wecker auf diese Uhrzeit gestellt habe. Dann markiert immerhin der deutlich hörbare Ton einen Unterschied zu vorher. Allerdings ist auch dieser Unterschied gering. Denn die Situation ist noch genau dieselbe, im Fernsehen läuft die Serie weiter, an meiner Körperhaltung hat sich nichts geändert. Keinerlei Veränderung, nur ein neu hinzugekommener Ton. Noch viel besser als Auslösereize funktionieren darum Veränderungen der gesamten Situation: Wenn ich nach der Arbeit nach Hause kommme, dann ändert sich das gesamte Szenario: Von der Uni/Arbeit/Straße hin zu meinen eigenen vier Wänden. Alles sieht anders aus, alles riecht anders, hört sich anders an, ist anders temperiert, usw. Deutlicher wird’s nicht mehr. Oder wenn ich morgens vom Bad in die Küche gehe, ändert sich ebenfalls die gesamte Optik. An solche Momente kann ich sehr viel leichter ein neues Verhalten koppeln, da es für den zuständigen Teil meines Gehirns dann sehr deutlich ist: „Hier beginnt was neues“.

Beispiele für gute Trigger

Die Herausforderung ist nun, im eigenen, schon bestehenden Alltag einen Anküpfungspunkt zu finden, an den man die neue Gewohnheit koppeln kann. Typische, für viele Menschen geeignete Trigger sind: Das Verlassen des Bettes am Morgen, das Verlassen des Bades nach der Morgentoilette, das Aufstehen vom Frühstückstisch, das Ankommen im Büro (morgens und dann nochmals nach der Mittagspause), das Ankommen zuhause, das Aufstehen vom Abendessen, das Zähneputzen am Abend und das Anziehen der Klamotten zum Schlafen. Diese Trigger erfüllen alle (zumindest bei den meisten Menschen ;-)) die Kriterien der Konsistenz (Zuverlässigkeit) und der Informativität. Jetzt ist nur noch zu überlegen, ob direkt nach diesen Triggern auch genug Zeit frei ist/frei geräumt werden kann, damit die gewünsche Gewohnheit auch sofort im Anschluss ausgeführt werden kann. Denn nur dann ist das Kriterium der Kontiguität (zeitliche Nähe) auch noch gewährleistet.

Wenn du bei deiner Gewohnheitsplanung alle drei Bedingungen berücksichtigt hast, dann ist der Weg für die Gewohnheitsbildung frei. Dann kannst du, genügend Wiederholungen vorausgesetzt, darauf bauen, dass du diese Verhaltensweise, die jetzt noch neu und ungewohnt ist, eines Tages anstrengungsfrei und ohne darüber nachzudenken umsetzen wirst. Dazu ist natürlich erforderlich, dass du jedes Mal nach dem Trigger deine Zielgewohnheit auch ausführst. Was bekanntermaßen nicht immer leicht ist. Wie du diesen Prozess so gut unterstützen kannst, dass es ziemlich sicher klappen wird, kannst du hier im Kurs lernen.

Wie man morgens zuverlässig aus dem Bett kommt

Viele meiner Kursteilnehmer haben dieses Anliegen und bei mir selbst war das auch schon mal relevant: Das ewige morgens im Bett „Ach, 5 Minuten liegen bleiben gehen schon noch.“ … Und ehe man sich versieht, hat man eine Stunde vertrödelt, muss dann das Frühstück ausfallen lassen und in totaler Hektik los, um seinen ersten Termin noch zu schaffen. Wem das auch so geht, für den sei diese Anleitung hier geschrieben.

Bitte vorab klären: Schläfst du genug?

Bevor man anfängt, das Aufsteh-Prozedere zu verändern, sollte man sich fragen: Schlafe ich genug? Würde ich, wenn ich denn wie geplant aufstehen würde, auch genug Schlaf bekommen? Am besten so, dass ich am Freitag nicht müder bin als am Montag, sich also kein Schlafdefizit über die Woche aufbaut? Wenn du diese Frage mit „nein“ beantwortest, dann würde ich dazu raten, zuerst am Zu-Bett-geh-Zeitpunkt zu schrauben, bevor du das Aufstehen anpackst. Denn möglicherweise löst sich das morgendliche Drama von ganz allein in Wohlgefallen auf, wenn du ausgeschlafen bist. Oder es wird zumindest wesentlich leichter. Hast du hier Bedarf, dann würde ich dir diesen Artikel zum Weiterlesen empfehlen. Gehen wir nun aber davon aus, dass du tatsächlich genug Schlaf bekommst, aber trotzdem morgens nicht hoch kommst.

Neues Morgenritual

Was du nun tun kannst, ist dein Morgenritual zu verändern, das ab dem Zeitpunkt einsetzt, wenn der Wecker klingelt. Viele greifen dann mit dem Arm in Richtung Nachtkästchen o.ä. und drücken direkt auf „Snooze“ bzw. „Schlummern“. Und schlafen in wenigen Sekunden wieder ein. Und so geht das Spiel dann ein ums andere Mal. Ich selbst hatte früher einen Wecker, der genau 10 Mal im Abstand von 3 Minuten geklingelt hat – und dann nach 30 Minuten für immer aus war. Du kannst dir vorstellen, dass ich im Schlaf natürlich nicht mitgezählt habe, wie oft ich nun schon auf Schlummern gedrückt hatte, so dass ich regelmäßig verschlafen habe… Einmal ganz abgesehen von der zermürbenden halben Stunde, die ich weder wach genutzt habe noch richtig erholsam schlafen konnte. Also kein Wunder, dass sich daran was ändern musste. Und so funktioniert es bei den meisten Kursteilnehmern ganz gut:

  • Die Schlummern-Funktion wird deaktiviert oder, wenn das nicht geht, ein Wecker angeschafft, der keine solche Funktion hat.
  • Dieser Wecker wird nun außer Reichweite des Bettes am Fenster platziert, so dass man aufstehen muss, um ihn auszuschalten.
  • Direkt neben dem Wecker liegt ein großer Zettel, der klare Anweisungen enthält, was als nächstes zu tun ist:
    Wecker ausschalten → Fenster öffnen → ins Bad gehen

Und warum soll das jetzt funktionieren?

Dieser Ablauf funktioniert aus mehreren Gründen:

Zum einen erhöht die Deaktivierung der Schlummern-Funktion die Verbindlichkeit. Wenn ich jetzt nicht aufstehe, dann werde ich sicher verschlafen, weil dann kein Wecker mehr kommt.

Zum anderen ist es für den Teil unseres Gehirns, der für assoziatives Lernen zuständig ist, auch eine riesengroße Erleichterung, da dann eine eindeutige Verknüpfung zwischen Geräusch (Weckerklingeln) und Verhalten (Aufstehen) entsteht. So kann sich das leicht automatisieren. Wenn aber nach 10 Mal Klingeln nur einmal Aufstehen folgt, dann wird sich das niemals automatisieren und jeder Morgen bleibt ein Kampf.

Ein weiterer Grund liegt darin, dass, wenn der Körper durch den Weg durch das Zimmer zum Wecker schon mal in die Vertikale gebracht wurde, es wesentlich leichter ist, einfach stehen zu bleiben, als wenn man sich erst motivieren muss, sich von der Horizontalen aus zu erheben.

Das Fensteröffnen hat den Zweck, das Bett gleich auskühlen zu lassen, so dass es unattraktiver wird, sich wieder hinzulegen (wer wirklich dazu neigt, sich nach dem Badaufenthalt wieder hinzulegen, der kann auch gleich das Bettt schön machen, das schafft dann nochmals eine visuelle Hürde.).

Und schließlich der direkte Weg ins Bad bringt dich zuverlässig aus der Gefahrenzone deines Schlafzimmers, in der sonst minutenlang die Gefahr bestünde, dass du dich doch „nochmal kurz“ hinlegst… (Wer eine kleine Wohnung und einen lauten Wecker hat, könnte den Wecker auch gleich ins Bad stellen…).

Das war’s!

Grundprinzip bei der Einführung neuer Gewohnheiten

An dieser Konstruktion kannst du übrigens auch ein wichtiges Grundprinzip des Gewohnheitsaufbaus erkennen: Wir sollten immer versuchen, die Gewohnheit so zu planen, dass es möglichst leicht wird und wir möglichst wenig Willenskraft benötigen, um die Gewohnheit umzusetzen. Beim morgendlichen Aufstehen ist das besonders wichtig, da unsere Selbstkontrolle im Halbschlaf naturgemäß sich ebenfalls noch im Halbschlaf befindet – mit dem Appell an unsere Diszplin kommen wir in so einem Fall normalerweise nicht weit. Sonst eigentlich aber auch nie. Also, tut alles dafür, dass eine neue Gewohnheit mit möglichst wenig Selbstdisziplin auskommt! Ausführlicher werden diese Idee und alle weiteren Unterstützungsmöglichkeiten für neue Gewohnheiten im Kurs erklärt.

Ich würde mich freuen, wenn du den genauen Ablauf deines eigenen morgendlichen Aufstehens hier als Kommentar posten würdest!

Wie kann man langweilige Aufgaben so prozessorientiert erledigen, dass sie zufrieden machen?

Jeder ist mit Aufgaben konfrontiert, deren Erledigung erstmal keinen Spaß machen, vielleicht langweilig sind. Nehmen wir z.B. Geschirrspülen, Staubsaugen, Einkaufen oder die ungeliebte Vorlesung. Das faszinierende daran ist, dass auch hier wieder gilt, dass die Eigenschaften der Aufgabe kein bisschen vorhersagen, inwiefern sie als spannend, angenehm oder langweilig erlebt werden. Es gibt genug Leute, die z.B. das Staubsaugen der Wohnung als entspannenden, meditativen Akt erleben. Andere hingegen ärgern sich über diese Aufgabe, schieben sie hinaus, so lange es geht und ringen sich dann dazu durch, das Staubsaugen möglichst schnell hinter sich zu bringen. Das Ergebnis dieser Haltung ist dann Stress und Unzufriedenheit und am Ende des Tages der Eindruck – falls noch mehr Aufgaben so erledigt wurden -, nichts wirklich Sinnvolles geschafft zu haben.

Wie erklärt sich nun dieser Unterschied? Warum findet das der eine angenehm und die andere nicht? Genetische Prädisposition zum Staubsaugen als Erklärung wollen wir jetzt mal ausschließen, schließlich ist kaum zu erwarten, dass in der Menschheitsgeschichte über einen längeren Zeitraum hinweg ein Selektionsdruck in Richtung Staubsaugepräferenz gewirkt haben sollte… ;-). Also muss es wohl die Art sein, wie der einzelne die Aufgabe Staubsaugen betrachtet. Für die eine ein notwendiges Übel, für den anderen angenehme Gelegenheit zum Abschalten und Relaxen. Daraus können wir eine erste Übung ableiten:

Wenn du das nächste Mal vor einer Aufgabe stehst, die du langweilig findest und darum so schnell wie möglich hinter dich bringen möchtest, dann mache dir bewusst: Irgendwo auf dieser Welt wird es mindestens einen Menschen geben (vielleicht kennst du sogar einen?), der diese Aufgabe angenehm findet. Versetze dich in dessen Lage! Stelle dir vor, diese Person würde jetzt gerade das tun, was du gerade tust. Warum findet sie diese Aufgabe wohl angenehm? Welche Bedürfnisse kann sie mit dieser Aufgabe befriedigen? Wie gelingt es ihr, Interesse oder Geistesruhe dabei zu empfinden?

Zu dieser Übung passt als Inspiration folgende Geschichte von Anthony de Mello (im Herder Verlag erschienen) (sinngemäß wiedergegeben):

Der Meister betonte oft die Wichtigkeit täglicher Meditationspraxis und lobte deren positive Wirkung. Dennoch trafen ihn seine Schüler nur selten an, wie er in Meditation versunken saß. Auf diesen Widerspruch angesprochen, entgegnete er: „Man braucht die Meditation nicht zu unterbrechen, nur weil man sich einer Aufgabe widmet.“

Für den Anfänger bieten sich gerade die eintönigen, einfachen Aufgaben an, die die Tendenz dazu haben, langweilig zu sein, um dieses Konzept zu üben: Meditation während der Arbeit. Im Unterschied zur sitzenden Meditation, in der man z.B. auf seinen ein- und ausfließenden Atem achtet, konzentriert man sich beim Staubsaugen oder Bügeln z.B. auf die gleitenden Bewegungen der Saugdüse über den Boden.

Eine interessante Parallele sehe ich in Tee-Zeremonien aus dem Zen: Dort gibt es sehr ausgefeilte Rituale mit genau abgezirkelten Abläufen, wie der Tee zubereitet, serviert und getrunken wird. Doch was hat das eigentlich für einen Sinn, eine triviale Tätigkeit so zu reglementieren? Die Idee dahinter ist, durch die Ritualisierung von solchen Alltagstätigkeiten einen Anker für die eigene Aufmerksamkeit zu haben, der dabei hilft, genau in der Gegenwart zu bleiben und sich auf die Ausführung der einzelnen Bewegungen zu konzentrieren. So etwas könnte ich mir auch bei Haushaltstätigkeiten gut vorstellen. Eine reduzierte Variante wäre z.B., sich sehr auf die körperlichen Bewegungen beim Wäsche zusammenlegen o.ä. zu konzentrieren. Der Effekt könnte noch intensiver sein, wenn du diese Bewegungen mit deiner Atmung synchronisierst. Also die Bewegungen im Takt von Ein- und Ausatmung ausführst. Probiere das bei nächster Gelegenheit doch gleich mal aus!

Beispiel Vorlesung

Viele Studierende kämpfen mit langweiligen Vorlesungen oder anderen Lehrveranstaltungen. Gehen dann entweder nicht mehr hin oder sitzen zwar physisch da, schweifen aber gedanklich ab. In so einer Vorlesung ist es etwas schwieriger, prozessorientiert zu bleiben. Hier kann man nicht so leicht seine Aufmerksamkeit auf sich selbst richten, da man es – anders als bei Haushaltstätigkeiten – nicht mit körperlichen Bewegungen zu tun hat. Und würde man nur seinem Atem lauschen, könnte man gleich besser zuhause bleiben, da man dann ohnehin nichts mitnehmen würde. Die Aufmerksamkeit wird in so einer Vorlesung also zwar so beansprucht, dass man sich nicht wirklich auf sich selbst konzentrieren kann. Aber sie wird eben auch nicht genug gefordert, so dass man in einen Flow eintauchen könnte. Didaktisch liegt der Grund darin, dass man als reiner Zuhörer zu passiv ist. Eine Abhilfe wäre dann, selbst dafür zu sorgen, aktiver zu werden. Falls du noch nicht mitschreibst, probiere das: Notiere die wichtigsten Kernaussagen der Dozent*in. Nicht einfach alles, was sie sagt, das wäre dann ja wieder recht stupide. Sondern entscheide bei jedem inhaltlichen Block, mit welchem Satz oder Stichpunkt du das zusammenfassend festhalten kannst. Denn durch die selbst gestellte Aufgabe, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen, wird das Gehirn aktiv. Diese Kategorisierung ist eine eigenständige Leistung. Und das ist es, was du brauchst, um in eine aktive Rolle zu gehen. Das macht dann automatisch wacher und bindet die Konzentration. Und wenn die Konzentration bei den Inhalten ist, dann zieht das automatisch die Aufmerksamkeit vom angestrebten Ziel „Vorlesung hinter mich bringen“ ab – voilà, Prozessorientierung! Mit dem Nebeneffekt von mehr Zufriedenheit (die Vorlesung ist dann nicht mehr so ätzend) und besserem Lerneffekt (weil aktive Erarbeitung die Inhalte immer besser im Gedächtnis verankert als reines Zuhören).

Eine andere Möglichkeit: Nicht mehr hingehen! Und stattdessen zu der gleichen Zeit in die Bibliothek gehen und mithilfe eines Lehrbuchs den gleichen Stoff eigenständig erarbeiten. Wenn man hier den Text nicht einfach nur liest (sonst gleiche Passivität wie beim Zuhören), sondern sich den Text richtig zu eigen macht, indem man Fragen stellt, Antworten schreibt, Notizen und Kommentare dazu festhält, Kernaussagen formuliert – dann werden diese Inhalte wesentlich besser hängen bleiben als beim simplen Zuhören in der Vorlesung. Wenn du Zweifel hast, ob es dir gelingen wird, routinemäßig die Inhalte so eigenständig zu erarbeiten, dann schau dir mal meinen Kurs an, in dem du lernen kannst, wie man Gewohnheiten im eigenen Leben einführt.