Manchmal ist eine simple Veränderung der Umwelt der einfachste Weg, um eine schlechte Angewohnheit los zu werden…
Meine Grundidee bei der Veränderung von Gewohnheiten ist, die gewünschte Veränderung so zu planen, dass man selbst möglichst leichtes Spiel hat. Man plant so viel Unterstützung ein, dass man mit möglichst wenig Selbstdisziplin auskommt. Es gibt Gewohnheiten, da ist die Veränderung der Umwelt die wichtigste Maßnahme, um das zu erreichen.
Ein Beispiel:
Vor einiger Zeit hatte ich mich daran erinnert, dass ich früher sehr gerne Sudoku-Rätsel gelöst habe. Ich hatte dafür Bücher (aus echtem Papier!), wo eine Menge Rätsel abgedruckt waren. Mein Gedanke dann: Dafür müsste es doch heute eine App geben… und natürlich gab es dazu eine App. Beziehungsweise viele. Also habe ich mir eine installiert und siehe da, Sudoku hat mir immer noch Spaß gemacht. Das Dumme war nur, dass diese App so gut gemacht war, dass es super motivierend war, ein Rätsel nach dem anderen zu lösen. Ich habe in den folgenden Tagen eine richtige Sudoku-Sucht entwickelt. Wie schlimm es war, konnte ich ganz gut an der App-internen Statistik ablesen: Innerhalb von einer Woche hatte ich schon 50h gespielt… Ich musste dringend was tun. Nachdem ich mich ein paar Tage mit dem Gedanken getragen hatte, meinen Sudoku-Konsum einzuschränken, aber keinen richtigen Ansatzpunkt gefunden habe, wie ich mich dazu motivieren sollte, weniger zu spielen, habe ich mich dazu entschieden, die App wieder komplett zu deinstallieren. Und es getan. Seitdem habe ich kein Sudoku mehr gespielt…
Das heißt nicht, dass bei jeder lästigen Angewohnheit der Totalverzicht die richtige Strategie wäre. Wer z.B. weniger Kalorien zu sich nehmen möchte, kann nicht einfach ganz auf Essen verzichten. Auch ich hätte womöglich nicht ganz auf Sudoku verzichten müssen – mit der Papier-und-Bleistift-Version wäre es sicher auch gut, ohne übertriebenes Suchtverhalten, gegangen. Entscheidend ist, dass ich den Umweltfaktor eliminiert habe, der das Sudoku-Spielen so verführerisch und verfügbar gemacht hat (Bedienung und Belohnungsstruktur der App, Handy immer dabei). Wer zu viel Zeit auf Facebook verbringt, möchte möglicherweise seinen Account nicht löschen, sondern sich eben nur während der Arbeit nicht einloggen…
Das Schöne ist, dass man mit simplen Tools oder Kniffen die eigene (digitale) Arbeitsumgebung so strukturieren kann, dass man das, was man stattdessen tun möchte, viel leichter ausführen kann – ohne einen Funken Selbstdisziplin mehr als bisher aufbringen zu müssen. Darum habe ich hier eine kleine Liste mit Ideen zusammengestellt, welche Anpassungen der Umwelt sich anbieten:
Block bestimmter Websites
Du kannst mittels eines Add-ons deinem Internetbrowser beibringen, dass er zeitweilige bestimmte Seiten für dich blockiert, so dass du dich auf deine eigentliche Aufgabe konzentrieren kannst. Bei Firefox ist das z.B. das Add-on Leechblock.
Beschreibung: You can block sites within fixed time periods (e.g., between 9am and 5pm), after a time limit (e.g., 10 minutes in every hour), or with a combination of time periods and time limit (e.g., 10 minutes in every hour between 9am and 5pm). You can also set a password for access to the extension options, just to slow you down in moments of weakness!
Ich würde ein langes und nervig einzugebendes Passwort wählen, das ich nur auf einem Papierzettel notiere, so dass ich es von Hand abtippen müsste, wenn ich doch mal die Zeiteinstellungen übergehen möchte…
Block des gesamten Internets
Falls du nicht nur bestimmte Websites blocken möchtest, sondern am besten gleich das ganze Internet inklusive Mailempfang etc., dann kannst du das entweder digital mit z.B. den Programmen Freedom oder Getcoldturkey realisieren.
Oder du wählst einen Ort, an dem du kein W-Lan hast, als Arbeitsort, z.B. die Bibliothek einer Uni, an der du nicht studierst… Oder du ziehst bei dir zuhause den Stecker an deinem Router…
Smartphone
Der Vorteil beim Smartphone ist, dass die wenigsten dieses wirklich zum Arbeiten brauchen, anders als den Computer und evtl. einen Internetanschluss (also ich meine jetzt diejenigen Arbeiten, bei denen das Smartphone immer als Ablenkung fungiert wie das Schreiben einer wichtigen Textes oder ähnliches… nicht einzelne wichtige Telefonanrufe). Deswegen sind da meistens auch „drastische“ Varianten möglich: Ausschalten! Und, wenn die Hürde zum Wieder-Anschalten immer noch nicht groß genug ist: Wegpacken. Ein ehemaliger Kursteilnehmer hat, um sich störungsfreie Zeit zu verschaffen, immer, wenn er nachmittags nach Hause kam und ohnehin den Briefkasten geleert hat, sein Handy darin eingeschlossen, bevor er hoch in die Wohnung ist… Und erst nach seiner geplanten Arbeitsphase dann wieder geholt. Das beugt dem Impuls, „Nur mal kurz checken, ob ich neue Whatsapp-Nachrichten habe“ unüberlegt nachzugeben, doch relativ effektiv vor, wenn ich dazu erst Schuhe anziehen, zwei Stockwerke runterlaufen und dann das Handy booten müsste…
Wenn du nach einer weniger radikalen Lösung suchst, dann kannst du dir mal die App Forest anschauen. Die App nutzt Gamification, um dich zu belohnen/zu bestrafen, wenn du abstinent bleibst/deinen Vorsatz brichst: Du siehst einen Baum wachsen, der abstirbt, wenn du vor der geplanten Zeit doch ans Handy gehst…
Anderweitig interessante Programme
Wenn du glaubst „Ach, so schlimm ist es ja nicht, so viel Zeit verbringe ich ja gar nicht auf Facebook & Co.“, dann kannst du dein eigenes Computer-Verhalten mal eine gewisse Zeit lang mit Rescuetime tracken und diese Vermutung überprüfen.
Falls deine primäre Aufgabe das Schreiben von Texten ist, dann hilft dir vielleicht wie vielen anderen Leuten, ein Eingabeprogramm zu nutzen, das nicht so sehr zum Zeitverplempern mit Layout und Formatieren einlädt wie Word. Ein simpler Texteditor à la Notepad kann hier ausreichen. Kostenpflichtige Varianten, die dieses Prinzip noch etwas weiter treiben, wären z.B. Writerroom (Mac) bzw. Dark room (Win).
Für wissenschaftliche Arbeiten erfüllt LaTeX diesen Zweck auch sehr gut. Dafür ist LaTeX sowieso aus zig Gründen die viel bessere Wahl ;-). Aber das ist ein anderes Thema.