Das Tagebuch als mächtiges Produktivitätstool

Ein Tagebuch kann ein netter Zeitvertreib oder aber ein mächtiges Produktivitäts- und Entwicklungstool sein. Je nachdem, welche Fragen man sich stellt. Heute möchte ich eine spezielle Variante vorstellen, die weniger ein klassisches „Ich-erzähle-meinem-Tagebuch,-wie-mein-Tag-heute-so-war“-Ding, sondern eher ein hochstrukturiertes Reflexionstool ist.

Meiner Ansicht nach sollten in der Tagesreflexion zwei Aspekte vereint sein: Erstens eine Reflexion des vergangenen Tages und zweitens eine Planung des kommenden Tages. Warum? Die Reflexion dient dazu, aus Erfahrung zu lernen. Wir machen sonst nur zu leicht den Fehler, immer wieder mit der gleichen Planung die gleichen Fehler zu reproduzieren. Wir sind dann wie ein Bäcker, der sich darüber ärgert, dass der Teig nicht ordentlich aufgeht, aber trotzdem immer wieder das gleiche Rezept benutzt. Die Planung wiederum ist wichtig, um aus den mittels Reflexion gewonnenen Erkenntnissen Taten werden zu lassen. Was mache ich morgen anders? Folgende Fragen haben sich meiner Erfahrung nach bewährt:

Reflexion des vergangenen Tages

  • Habe ich heute…
    … die geplanten Tätigkeiten umgesetzt?
    … die geplante Tätigkeiten-Reihenfolge eingehalten?
    … die damit verbundenen Ziele erreicht? (optional, da kein verpflichtender Teil der Planung!)
  • Wie prozessorientiert (was ist das?) war ich vor und während der Tätigkeiten?
  • Was hat gut geklappt, was weniger? Was war der jeweilige Grund dafür?
  • Was könnte ich beim nächsten Mal anders machen?
  • Wie zufrieden war ich heute insgesamt?

Planung des kommenden Tages

Die Planung des kommenden Tages besteht aus mehreren Schritten, die nacheinander zu absolvieren sind:

  1. Liste alle Tätigkeiten auf, die du am kommenden Arbeitstag bearbeiten möchtest.
  2. Ordne diese nach Wichtigkeit und bei ähnlicher Wichtigkeit nach Dringlichkeit, das Wichtigste zuerst.
  3. Streiche die untersten Einträge auf der Liste, bis nur noch 1-3 Tätigkeiten übrig bleiben.
  4. Weise jeder Tätigkeit einen Zeitslot zu: Nach welcher Aktion beginnt die Tätigkeit, wann endet sie wieder? (Maximaldauer festlegen! Zeitbedarf doppelt so hoch ansetzen, wie man ihn für realistisch hält!)

Kommentar und Bewertung

Grundsätzlich: Dieses System dient der Organisation von Tagen, die durch wechselnde Aufgaben und Prioritäten gekennzeichnet sind. Es ist tendenziell ungeeignet für langfristige Aufgaben wie das Anfertigen einer Hausarbeit oder Dissertation. Der Grund dafür ist, dass diese Aufgaben wegen mangelnder Dringlichkeit selten auf Platz 1 der Tagesplanung landen. Diese Art der Tagesplanung ist daher auch für mich selbst als Wissenschaftler und Freiberufler nur in Phasen geeignet, wo ich die langfristigen Tätigkeiten bewusst für eine kurze Episode aussetze, weil so viele notwendige, aber kleinere Aufgaben auf einmal anstehen. Das ist regelmäßig rund um den Start eines neuen Semesters der Fall. Zu anderen Zeiten sollte mein eigener Arbeitsalltag dagegen eher stärker durch feste Gewohnheiten definiert sein, damit die Daueraufgaben (v.a. Schreiben!) ihren festen Platz haben.

Tätigkeiten statt Ergebnisse: Sowohl bei der Reflexion des vergangenen Tages als auch bei der Planung des kommenden Tages finde ich wichtig, Tätigkeiten statt Ergebnisse zu bewerten oder zu planen. Ob ich mit einer Tätigkeit ein bestimmtes Ergebnis erreiche oder nicht, das liegt oft nicht in meiner Macht und ist bei neuen Aufgaben oft nicht sinnvoll abschätzbar. Versucht man hier trotzdem, konkrete Zielzustände zu erreichen, ist Frust programmiert, da die Realität dann oft hinter den eigenen Erwartungen zurückbleibt. Worüber man viel mehr Kontrolle hat, das ist die Dauer, mit der man sich mit einer bestimmten Tätigkeit beschäftigt. Ich kann zwar nicht garantieren, in dieser Zeit etwas Bestimmtes zu erreichen, aber ich kann sehr wohl steuern, ob ich die geplante Zeit auch wirklich in diese Aufgabe investiere. Die Ergebnisse kommen dann früher oder später von ganz alleine.

Reihenfolge statt Uhrzeiten: Ich kann also die Zeit, die mir pro Tag zur Verfügung steht, durchaus anhand meiner Prioritäten auf einzelne Aufgaben verteilen. Naheliegend wäre nun, im Sinne eines Stundenplans feste Zeitblöcke zu definieren, von wann bis wann ich mich jeweils einer Aufgabe widme. Das würde dann z.B. so aussehen: 9-12 Uhr Referat vorbereiten, Mittagessen, 13-16 Uhr Vorlesung nachbereiten, 16-17 Uhr in Bibliothek recherchieren. Erfahrungsgemäß scheitern solche Pläne mit Sicherheit (ausführlich dazu hier). Darum würde ich stattdessen fixe Reihenfolgen definieren statt fixe Uhrzeiten: Ich plane, zuerst, bevor ich irgendetwas anders mache, mein Referat vorzubereiten. Dann gehe ich zum Mittagessen und wenn ich wieder zurück komme, dann nehme ich meine Vorlesungsunterlagen zur Hand und bereite die Inhalte nach. Und wenn ich damit durch bin, dann gehe ich in die Bibliothek und recherchiere dort. Dieser Plan lässt mehr Flexibilität zu, gibt aber durch die Reihenfolge trotzdem vor, dass die Dinge in der Reihe ihrer Priorität bearbeitet werden.

Maximaldauer: Wenn ich nicht genau definiere, von wann bis wann ich was mache, dann besteht natürlich die Gefahr, dass ich mit der ersten Aufgabe anfange und den Rest des Tages gar nichts anderes mehr mache. In vielen Fällen ist das sogar völlig in Ordnung, schließlich steht ja auch die wichtigste Aufgabe an erster Stelle. Wenn das aber nicht so ist, weil die anderen Aufgaben auch wichtig oder vielleicht dringlich sind, dann sollte ich die maximale Zeitdauer festlegen, die ich für die erste Aufgabe aufwenden möchte. So stelle ich sicher, dass noch genug Zeit für den Rest übrig bleibt. Und trotzdem hat mein System dann genug Puffer, falls ich doch mal ein bisschen später anfange, was Wichtiges dazwischen kommt usw.

Zeitbedarf: Falls es mal erforderlich sein sollte, an einem bestimmten Tag eine Aufgabe auch wirklich abzuschließen, ich also hier von meinem Prinzip „nur Tätigkeiten, keine Ergebnisse planen“ abweichen muss, dann sollte ich dafür großzügig Zeit einplanen. Sehr großzügig. Die gängige Empfehlung ist hier, eine realistische Schätzung abzugeben, wie lange das unserer Einschätzung nach dauern wird, und diese Zeitangabe dann zu verdoppeln.

Ritualisierung: Regelmäßig so ein Tagebuch wie dieses hier vorgeschlagene zu führen, ist natürlich eine neue Gewohnheit. Und neue Gewohnheiten einzuführen, ist bekanntlich kein Selbstläufer. Was es dazu braucht, ist ein geeignetes Unterstützungssystem: Wie man eine neue Gewohnheit so einführt, dass man sie auch wirklich durchhält, kannst du hier lernen.

Ich würde mich freuen, wenn du in den Kommentaren über deine Erfahrungen berichtest, solltest du diese oder eine ähnliche Tagebuchvariante ausprobieren!

Warum Zeitmanagement-Techniken bei Prokrastination so schlecht funktionieren

Die Regale in Buchhandlungen sind voll mit Ratgebern, die uns zeigen wollen, wie wir endlich produktiv werden. Darin werden meist Zeitmanagement-Techniken vermittelt, die uns versprechen, in Zukunft unsere Zeit effizient zu nutzen und auf diese Weise zügig voranzukommen. Und wir, geplagt vom ewigen Aufschieben, hoffen, dass da was dran ist und probieren die ein oder andere Empfehlung aus. Und werden relativ zuverlässig enttäuscht. Es hilft nicht. Zu allem Überfluss suggerieren uns diese Ratgeber dann auch noch, dass es allein in unserer Hand liegt, produktiv und erfolgreich, glücklich und zufrieden zu werden. Und so geben wir unserer eigenen Unfähigkeit die Schuld. Wir halten uns für Versager, die nicht mal imstande sind, unsere Probleme in den Griff zu kriegen, obwohl wir genau wüssten, wie.

Was wir nicht wissen: Wir sind einem Missverständnis auf den Leim gegangen. Diese Ratgeber wurden – auch wenn was anderes auf dem Klappentext steht – nicht für unser Problem geschrieben. Wie der Name schon sagt, widmen sich Zeitmanagement-Ratgeber der Frage, wie man seine Zeit am günstigsten nutzt. Sie adressieren das Planungsproblem: Wenn ich vor lauter Aufgaben und to Do’s nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht, und ich nicht weiß, wann ich was davon tun soll. Wenn das mein Problem ist, dann kann ich mithilfe von Zeitmanagement-Techniken Ordnung ins Chaos bringen. Sie helfen mir, meine Aufgaben hinsichtlich Wichtigkeit und Dringlichkeit zu ordnen (Eisenhower-Prinzip¹), das Nutzen/Aufwand-Verhältnis von Aufgaben zu vergleichen (ABC-Analyse), die Aufgaben passend zu meiner im Tagesverlauf schwankenden Leistungsfähigkeit zu planen (individuelle Leistungskurve) und bei dieser Planung konkrete Schritte, realistische Dauer und Zeitpuffer zu berücksichtigen (3-W-Regel).

Aber all diese Techniken können nicht den Widerstand beseitigen, den ich gegenüber einer bestimmten Aufgabe empfinde. Da kann ich noch so schön planen, wann genau ich diese Aufgabe bearbeiten will – aversiv bleibt aversiv. Und drum werde ich auch mit akribischer Zeitplanung meine Prokrastination nicht überwinden. Weil Prokrastination kein Planungsproblem ist, sondern im Gegenteil: Prokrastination ist definiert als das bewusste Aufschieben von Tätigkeiten, obwohl ich eben gerade genau weiß, dass ich genau diese Tätigkeit jetzt am besten tun sollte, weil ich sonst langfristig schlechter dran sein werde (Steel, 2007)². Damit ist Prokrastination eben keine Frage guter oder schlechter Planung, sondern eine Frage der Motivation, genau diese Planung umzusetzen oder eben nicht.

Wir können uns durch Planung nicht dazu überreden, etwas umzusetzen, das wir eigentlich gar nicht tun wollen. Es ist nicht so, dass uns die Gründe oder die Zeit fehlen, an die Aufgabe ran zu gehen. Aber wir haben eben auch gute Gründe, die Aufgabe zu vermeiden. Der wichtigste Grund ist die Art und Weise, wie wir an sie herangehen. Die Haltung, mit der wir einer Aufgabe begegnen, entscheidet darüber, ob wir am liebsten wegrennen und etwas anderes machen wollen, oder ob wir uns locker und interessiert der Aufgabe widmen können. Diese Haltung, die ich Prozessorientierung nenne, wird z.B. hier, hier und hier genauer erklärt. Und diese Haltung können wir gezielt verändern. In Phase 1 des Kurses wird zum Beispiel genau das trainiert. Aber auch Meditation oder andere Verfahren, die die Achtsamkeit fördern, zielen darauf ab.


¹ Zeitmanagement-Techniken entnommen aus:
Weisweiler, S., Dirscherl, B., & Braumandl, I. (2013). Zeit- und Selbstmanagement. Ein Trainingsmanual – Module, Methoden, Materialien für Training und Coaching. Heidelberg: Springer.

² Steel, P. (2007). The nature of procrastination: A meta-analytic and theoretical review of quintessential self-regulatory failure. Psychological Bulletin, 133(1), 65–94. https://doi.org/10.1037/0033-2909.133.1.65

Ich habe doch keine Angst vor einer Aufgabe!

„Ich doch nicht. Ich bin ein selbstbewusster Typ und kann das schon. Wieso sollte ich davor Angst haben, diesen Zeitschriftenartikel zu schreiben? Da ist doch gar nichts gefährliches dran.“ So ähnlich könnte deine Reaktion ausfallen, wenn ich dir sage: Du schiebst deine Aufgaben auf, weil du Angst hast. Du entgegnest vielleicht: „Nein, Angst ist das nicht. Ich habe nur einfach keinen Bock auf die Aufgabe.“ Damit wir uns hier richtig verstehen, ein Wort dazu, was ich hier unter dem Gefühl Angst verstehe. Viele Menschen haben einen relativ hohe Schwelle, die ein Gefühl in seiner Intensität überschreiten muss, damit sie diese Empfindung als Gefühl bezeichnen. Erst, wenn sie stocksauer sind und ihnen nach Rumschreien zumute ist, würden sie ihren Zustand als „wütend“ beschreiben. Oder erst, wenn sie schwitzen, schnell atmen, ihr Herz laut pocht und ihre Gedanken die ganze Zeit eine Katastrophe heraufziehen sehen und sie an nichts anderes mehr denken können, würden sie diese Empfindung als Angst bezeichnen. Aber so ein leises Gefühl der Unlust, das aufkommt, in dem Moment, in dem man an eine wichtige Aufgabe denkt – das ist doch keine Emotion, oder doch? Ich würde sagen: Doch. Es ist sinnvoll, hier genau hinzusehen, denn das ermöglicht uns, viel aktiver damit umzugehen als bisher.

Also nehmen wir dieses Gefühl der Unlust vor einer Aufgabe mal auseinander. Zuerst ein Blick auf die Aufgabe selbst: Welche Eigenschaften der Aufgabe sorgen dafür, dass wir ihr gegenüber Unlust empfinden? Meistens sind es die wichtigen Aufgaben, die wir aufschieben. Gerade die Wichtigkeit scheint die Unlust, an eine Aufgabe herangehen zu wollen, zu vergrößern. Auf den ersten Blick paradox. Dann wäre da noch, dass Aufgaben unangenehm sind, wenn sie vage und unklar definiert sind. Wenn ich nicht genau weiß, wo ich anfangen soll, welche Handlungen ich zur Bewältigung benötige und worauf genau das ganze hinauslaufen soll, dann finde ich die Aufgabe auch eher unangenehm und mache lieber etwas anderes. Und dann gibt es da noch die Aufgaben, von denen ich zwar weiß, was genau ich zu tun habe, aber auch weiß, dass ich dabei keine Freude oder Interesse empfinden werde. Solche Aufgaben würde ich ebenfalls am liebsten vermeiden. Aber woher weiß ich eigentlich, dass eine Aufgabe unangenehm ist?

Vielleicht hast du selbst schon mal beobachtet, dass du total Lust auf etwas hattest, dir dann einen Plan gemacht hast, wie du das neue, tolle Projekt angehen möchtest und dann, in dem Moment, wo du dir vorgenommen hattest, was du zu tun hast, war die Aufgabe plötzlich unangenehm. Die Aufgabe hat hier eine aufschlussreiche Metamorphose durchgemacht: Zuerst total attraktiv, dann auf einmal unattraktiv. In Wirklichkeit hat sich die Aufgabe selbst natürlich nicht verändert. Die nötigen Handgriffe und Denkschritte sind die gleichen geblieben. Was sich verändert hat, ist deine Bewertung dieser Aufgabe. Deine Perspektive, aus der heraus du auf die Aufgabe blickst, hat sich verschoben. Und damit kommst du, bei Betrachtung von ein und derselben Aufgabe, zu unterschiedlichen Schlüssen. Wie du die Aufgabe findest, hängt davon ab, was du gerade willst und wie du diese Aufgabe angehst.

Damit haben wir den Schlüssel zum Verständnis, warum wir manche Aufgaben als unangenehm empfinden. In dem Moment, in dem wir eine Aufgabe wichtig finden, ist uns das Ergebnis, das wir bei dieser Aufgabe erzielen, nicht mehr egal. Wir wollen dann eine Leistung bestimmter Qualität erreichen. Und genau dieser Wille ist das Einfallstor für die Angst. Warum das? Wir neigen dazu, aus diesem Willen einen Anspruch zu machen. Wir finden es nicht nur gut, wenn wir eine gute Leistung erzielen, sondern wir sollen dann eine gute Leistung erzielen. Aus dem „Ich hätte gerne“ ist dann ein „ich muss unbedingt“ geworden. In dem Moment aber, in dem wir eine gute Leistung erbringen müssen, wird die Möglichkeit, dass wir einen Fehler machen könnten und die Leistung vielleicht nicht ganz so gut ausfällt, zum Problem. Dann dürfen wir keinen Fehler mehr machen. Wenn aber realistischerweise eben doch eine gewisse Chance besteht, nicht alles auf Anhieb perfekt hinzubekommen, dann entwickeln wir zwangsläufig Angst. Wie auch sonst? Etwas, was uns ganz wichtig ist („keine Fehler machen“), ist realistisch bedroht („es besteht durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, Fehler zu machen“). Das natürliche Gefühl unter diesen Bedingungen ist Angst. Und die mit Angst einhergehende Verhaltenstendenz ist Vermeidung. Wir vermeiden also diese Aufgabe, weil wir dort einen Fehler machen könnten, was aber auf keinen Fall passieren darf. Dieses Konglomerat von Bewertung, Gefühl und Verhaltenstendenz empfinden wir als Unlust. Denn meist ist das keine krachende Panik, die mit Pauken und Trompeten zur Flucht bläst, sondern ein leises Gefühl des „ach komm, ich habe da gerade keine Lust drauf, lassen wir das“. Mit der Folge, dass wir uns von der Aufgabe abwenden. Das ist keine Schwäche, denn uns bleibt ja gar nichts anderes übrig… zumindest so lange nicht, wie dieser Anspruch, keine Fehler machen zu dürfen, unverändert bestehen bleibt. Und genau hier setzt eine Übung an, mit deren Hilfe man die Angst in Situationen wie dieser reduzieren kann, indem man die Verbindlichkeit des Anspruchs lockert (siehe auch diesen Artikel). Diese Übung zum Loslassen ist Teil des Kurses und wird dort ausführlich erklärt und geübt.

Kontrollillusion

Wir haben ja keine Ahnung. Das fällt im Alltag nicht so auf, aber bei schwierigen Entscheidungen spüren wir es wieder: Wir haben keine Ahnung, welche Handlungsalternative zu welchen Effekten führt. Wir haben insgesamt keine Ahnung, was zu was führt. Und trotzdem halten wir an dem Konzept fest, Ereignisse in gut und schlecht zu sortieren. Wir glauben, dass es gut wäre, die Beförderung oder die Stellenverlängerung zu bekommen oder die Dissertation abgegeben zu haben. Und wir glauben, dass es schlecht wäre, gekündigt zu werden, nicht zu wissen, wo in drei Monaten das Geld her kommen soll oder zum wiederholten Male unsere Dissertation überarbeiten zu müssen, obwohl wir glaubten, jetzt endlich mit unserer Dissertation fertig zu sein. Aber woher nehmen wir diese Gewissheit? Wer sagt, dass wir nicht eine viel bessere Stelle finden werden, wobei wir uns ohne den Anlass unseres Vertragsendes nie von selbst beworben hätten? Wer sagt, dass nicht, gerade weil wir noch etwas mehr Zeit mit der Dissertation verbringen, nochmals auf diese eine Konferenz fahren, dann dort jemanden kennenlernen, mit dem sich spannende Möglichkeiten der Zusammenarbeit auftun? Diese „Zufälle des Lebens“ kann niemand vorher sehen. Also warum sind wir dann immer so überzeugt davon, dass ein bestimmtes Ereignis gut oder schlecht für uns wäre?

Das liegt daran: Wir messen die Ereignisse nicht an der Realität der Folgen dieses Ereignisses (denn dann könnten wir ohnehin erst am Ende unseres Lebens entscheiden – freilich ohne dabei zu wissen, was die Alternative zu diesem Leben gewesen wäre). Wir messen die Ereignisse an unseren eigenen Plänen und Zielen: Wenn ich mir etwas Bestimmtes in den Kopf gesetzt habe, dann empfinde ich es als „gut“, wenn dieser Zustand dann endlich eintritt. Das bedeutet nicht, dass dieser Zustand dann tatsächlich, an sich, irgendwie besser wäre als der Zustand zuvor oder ein Zustand, den wir erreicht hätten, wenn wir einen anderen Pfad eingeschlagen hätten. Das bedeutet nur, dass wir das Erreichen von Zielen mögen. Völlig egal, welchen Effekt diese Zielerreichung wirklich hat – davon haben wir eigentlich keine Ahnung. Können gar keine Ahnung haben, da wir die Zukunft nicht vorhersehen können. Und obendrauf kommt noch dazu, dass wir schon beim Setzen des Ziels von so vielen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und situativen Bedingungen beeinflusst wurden, dass keiner weiß, ob das Ziel selbst überhaupt wirklich zu uns passt. Ob der Zielzustand an sich, ohne überhaupt noch weitere Folgen zu beachten, uns wirklich gut tut.

Was heißt das für unsere Lebenspraxis? Folge „deinem Weg“ und genieße die Aussicht währenddessen – ganz egal, ob du dich gerade an einem vermeintlich unattraktivem Ort aufhälst, an dem du gar nicht sein möchtest. Du weißt nicht, ob nicht gerade dieser Moment, in dem du das Gefühl hast, es ist alles schlecht, die Basis bildet für ein Schicksal, das du hinterher als total positiv einschätzen wirst. Mach dir klar, dass du dein Glück bisher an das Erreichen von Ereignissen oder Zuständen knüpfst – dabei hast du keine Ahnung, welche Ereignisse oder Zustände in der Realität welche Wirkungen auf dich haben werden und welche Verkettung von Ereignissen folgen wird. Es sind nur deine Ziele, die die Welt in „günstig“ und „ungünstig“ einteilen. Darum ist Glück kein Zustand, den man erreichen kann. Glück ist eine Art des Sehens.

Wie wir das Beste verpassen, weil unsere eigenen Vorstellungen uns die Sicht versperren

„Du sollst andere Menschen nicht nach deinen Vorstellungen beurteilen.“ So oder so ähnlich haben das viele Leute schon gelesen, gehört oder sind sogar schon selbst zu dieser Erkenntnis gelangt. Diese Aussage basiert auf der Idee, dass ein anderer Mensch ein unendlich reichhaltiges, komplexes und vielschichtiges Wesen ist, das wir niemals ganz erfassen können. Wenn wir uns ein Bild von ihm machen, dann fangen wir an, diesen Menschen in eine Schublade zu packen: „Der Hans, der ist so und so.“ Wir glauben, ihn zu kennen und beschäftigen uns dann nicht mehr weiter mit ihm. Aber wie jeder weiß: Schubladendenken ist böse! Das haben wir schon gelernt. Steht ja auch schon in den 10 Geboten („Du sollst dir kein Bild…“). Das Konzept ist uns im Prinzip also klar – wie leicht oder schwer das im Einzelnen in der Praxis für uns umsetzbar ist, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Wir sind ja nur Menschen. Soweit nichts neues. Aber hast du diesen Gedanken auch schon auf deine täglichen Aufgaben angewandt? Ist dir klar, dass hier das gleiche Prinzip gilt? Dass auch hier deine Vorstellungen, wie die Aufgabe ist oder aus deiner Sicht zu sein hat, deine Erfahrungen, die du mit dieser Aufgabe machen kannst, einschränken? Möglicherweise sogar so weit, dass du das Potenzial zur Freude, das in dieser Aufgabe liegt, gar nicht mehr sehen kannst?

Nehmen wir als Beispiel die Aufgabe, einen bestimmten wissenschaftlichen Artikel zu lesen. Möglicherweise hast du dir diesen sogar selbst ausgesucht, hast recherchiert und glaubst, dass es für die Arbeit, an der du gerade schreibst, notwendig ist, diesen Artikel zu lesen. Du glaubst, dass dieser Artikel langweilig und dröge sein wird. Dass sich das Lesen ewig in die Länge ziehen wird und du ihn nicht so schnell bearbeiten kannst, wie du gerne würdest. Was denkst du, welche Erfahrung du mit diesem Artikel nun tatsächlich machen wirst? Natürlich wird es eine gefühle Ewigkeit dauern, ihn zu lesen, es wird sich wie Kaugummi in die Länge ziehen und mühsam sein. Aber ist dir die dezente Ironie aufgefallen, die die Autoren in ihrem nüchtern-sachlichen Stil versteckt haben? Hast du den kleinen Seitenhieb auf die konkurrierende Hypothese anderer Kollegen bemerkt? Und wie stehst du selbst dazu? Hast du bemerkt, wie du selbst schon ein kleines bisschen besser geworden bist, die Inhalte solcher Artikel zu verstehen? Hat es dich mit Freude erfüllt, dass du einige Bereiche schon schnell lesen konntest, weil du da schon Vorwissen hattest, dich also schon ein Stück weit in diesem Gebiet auszukennen scheinst? Ist dir klar, welchen Baustein die Erkenntnisse aus diesem Artikel in dem Netzwerk deines Theorieverständnisses bilden? Nein, all diese Aspekte hast du in diesem Artikel nicht gesehen, weil du ihn durch den Filter deiner Vorstellungen gelesen hast. Du hast deine Schablone „dröger wissenschaftlicher Artikel“ angelegt und nichts von dem mitbekommen, was deine Leseerfahrung hätte bereichern können. Schade, oder?

Aber das ist nicht deine eigene Schuld! Ich halte es für relativ wahrscheinlich, dass ein Effizienzideal dich dazu verführt hat, mit dieser Schablone an den Artikel heranzugehen. Du willst schnell ans Ziel gelangen, und darum hast du den Artikel als Hindernis betrachtet, das zwischen dir und der Zielerreichung (z.B. Fertigstellung des Theorieteils deiner Arbeit) liegt. Aus dieser ergebnisorientierten Perspektive heraus ist natürlich jedes Wort ein Wort zu viel, der Artikel also zwangsläufig zu lang und du brauchst zwangsläufig mehr Zeit, als du am liebsten dafür benötigen würdest (nämlich gar keine). Abhilfe schafft hier die Orientierung auf den Prozess (ausführlicher siehe z.B. Link oder Link) hin. Wenn du dich der Tätigkeit des Lesens und Bearbeitens selbst hingibst, ohne damit möglichst schnell ans Ziel kommen zu wollen, dann bist du offen für all die Schätze, die in dieser Erfahrung liegen können. Vielleicht sogar manchmal auch echte Langeweile. Aber im Gegensatz zur Langeweile oben, die durch deine eigene Haltung entsteht, ist diese Langeweile dann informativ: Sie zeigt an, dass der Artikel möglicherweise wirklich für deine Arbeit irrelevant ist und du die Bearbeitung dieses Artikels zugunsten wichtigerer Quellen sofort einstellen kannst.

Wie Effizienz schadet

Viele von uns erleben sich selbst gerne als wirksam. Schon ganz kleine Kinder freuen sich daüber, wenn es ihnen gelingt, in ihrer Umwelt etwas bewirken zu können. Wenn sie z.B. die Rassel auf den Boden werfen, gibt das ein Geräusch. Das Kind innerlich: „Hurra, ich kann ein Geräusch machen!“ Und wirft die Rassel – zum Leidwesen mancher Eltern – begeistert immer wieder hinunter. Im Laufe der Kindheit entwickelt sich aus diesem ersten Bedürfnis nach Wirksamkeit ein Bedürfnis nach Kompetenz. Wir fühlen uns dann wirksam und kompetent, wenn es uns gelingt, mit unseren Handlungen Effekte erzielen. Es genügt uns dann allerdings nicht mehr, irgendeinen Effekt zu erzielen, sondern das Ergebnis muss dann einem Gütemaßstab gerecht zu werden. Wenn ich ein Regal aus dem Möbelmarkt zusammenbaue und es hinterher fertig da steht, dann erlebe ich in diesem Moment einen Erfolg und fühle mich kompetent.

Jetzt gibt es aber viele Tätigkeiten, da begeistert mich das Endergebnis weniger. Wenn ich einen Stapel Unterlagen kopiert habe, dann empfinde ich selten ein großes Erfolgserlebnis ob meiner Leistung. Die Tatsache allein, dass es mir gelungen ist, zu kopieren, ist dann nicht mehr ausreichend, um mich kompetent fühlen zu können. Das war vielleicht am Anfang meiner Studienzeit so, als ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Kopierer bedient habe. Heute aber hat sich der Maßstab verschoben: Von der Frage, ob mir etwas überhaupt gelungen ist, oder der Frage, von welcher Qualität das Ergebnis ist, hat sich das Erfolgskriterium zu der Frage hin verschoben, wie schnell ich etwas erledigen konnte. Die Geschwindigkeit der Erledigung ist zum neuen Maßstab geworden. Und dieser Maßstab beginnt nun, ein Eigenleben zu führen.

Das Problem ist, dass wir, wenn Effizienz als Maßstab erstmal verankert ist, anfangen, jedwede Handlung an diesem Maßstab zu messen. Das geht dann so weit, dass ich auch den Weg zur Arbeit am Morgen unter Effizienzgesichtspunkten bewerte. Wo ich beim ersten Mal froh bin, wenn ich den Weg gefunden habe, dann bin ich später nur noch froh, wenn ich maximal schnell am Ziel angekommen bin, d.h. alle Ampeln, Abfahrtszeiten und anderen Verkehrsteilnehmer mir wohlgesonnen waren und ich in persönlicher Bestzeit an meiner Arbeitsstelle angelangt bin. Sobald aber die rote Welle zuschlägt, ein Stau meine Weiterfahrt behindert oder ein Zug etwas Verspätung hat, bin ich unzufrieden. Nicht, weil ich an diesem Tag wegen der 5 Minuten Verzögerung irgendwie weniger Erfolg haben werde. Sondern allein, weil die Anfahrt zu meinem Arbeitsplatz dann meinem Maßstab an Effizienz nicht gerecht wird. Und das ist wichtig, denn, wenn ich nicht effizient bin, erlebe ich mich als inkompetent! Ich fühle mich inkompetent, obwohl zum einen die Dauer der Anfahrt in keinem Zusammenhang zu meiner tatsächlichen Wirksamkeit an diesem Tag steht und zum anderen ich für die Verzögerung zu allem Überfluss ja auch gar nichts kann! Also auch nie eine Chance hatte, „wirksamer“ zu sein. Also ist Effizienz hier ein höchst unfairer Maßstab für mein Bedürfnis nach Kompetenz!

Im obigen Beispiel sabotieren wir durch den Anspruch, effizient zum Arbeitsplatz zu kommen, unsere Zufriedenheit, haben aber abgesehen davon vielleicht noch keinen großen Schaden. Leider noch folgenreicher ist es, wenn wir den Effizienzmaßstab auf weitere Tätigkeiten übertragen: Dann sind es nicht nur die „langweiligen“ Routinetätigkeiten, die wir an diesem Maßstab messen, sondern auch Tätigkeiten, die wir noch nie zuvor gemacht haben. Stellen wir uns vor, dass wir im Rahmen unserer Dissertation einen Zeitschriftenartikel lesen wollen, weil wir ihn als wichtig für unsere weitere Arbeit erachten. Viele neigen nun dazu, auch auf das Lesen dieses Artikels den Effizienzmaßstab zu übertragen. Wir wollen den Artikel dann nicht nur lesen, verstehen und die Inhalte für uns verwenden, sondern das soll alles auch noch möglichst schnell gehen. Aber wie lange eigentlich genau? Ist 1 Stunde angemessen? Oder 2 Tage? Woher sollen wir das wissen, wir kennen den Artikel ja noch gar nicht! Und das ist das Problem: Brauchen wir für den Artikel länger als für einen maximal einfachen Text, den wir einfach nur durchlesen, ohne dass es auf Verstehen und Behalten ankäme, so beschleicht uns mit jeder weiteren Minute das Gefühl, nicht schnell genug zu sein. Wir fühlen uns dann zu langsam, zu unintelligent – inkompetent. Das Fiese ist, dass dieser Maßstab völlig losgelöst von der tatsächlichen Angemessenheit des Zeitbedarfs seine negative Wirkung entfaltet! Ob wir diesem Artikel, weil es vielleicht die zentrale Quelle der Arbeit ist, angemessenerweise vielleicht eine ganze Woche widmen sollten, taucht da in der Effizienzbewertung überhaupt nicht auf! Und so sind wir in einer Zwickmühle gefangen: Lesen wir den Artikel super schnell, um unserem Effizienzanspruch gerecht zu werden, so verstehen wir nichts und fühlen uns deswegen inkompetent. Nehmen wir uns die Zeit für das Durcharbeiten der Quelle, die wir dafür benötigen, um sie richtig zu verstehen, dann fühlen wir uns inkompetent, weil wir „nicht schnell genug“ sind. Danke, Effizienzanspruch! Dank dir ist es mir unmöglich, mit meiner eigenen Arbeit zufrieden zu sein!

Was tun? Wenn der Anspruch, bei jeder oder wenigstens bei dieser Aufgabe effizient sein zu müssen, nicht mehr so verbindlich wäre, dann könnten wir uns kompetenter fühlen. Aber wie wird man diesen Anspruch los? Dafür gibt es die Übung zum Loslassen, die in dieser Kurslektion genau erklärt wird. Ich möchte an dieser Stelle einmal vorführen, wie die Übung für das Effizienzideal aussehen könnte.

Übung zum Loslassen Des AnspruchS an Effizienz

Wir starten mit der Beschreibung der Aufgabe: Nehmen wir an, vor uns liegt tatsächlich die Aufgabe, einen bestimmten wissenschaftlichen Artikel zu lesen. Diese Aufgabe scheint uns langwierig und mühsam.

Als nächster Schritt widmen wir uns den Gefühlen, die beim Gedanken an den Arbeitsbeginn an dieser Aufgabe hochkommen: Denken wir daran, jetzt mit dem Artikel anzufangen, dann steigt Unbehagen in uns auf. Welcher Art ist dieses Unbehagen? Bei genauerer Betrachtung handelt es sich um verschiedene Ängste. Da wären einmal die Angst, in dem Artikel auf etwas zu stoßen, das wir nicht verstehen. Würde das passieren, dann würden wir uns schämen ob unserer „Unfähigkeit“. Und Scham ist ein sehr unangenehmes Gefühl, weswegen wir das lieber vermeiden möchten. Das Gefühl, das mit einer Vermeidungstendenz verbunden ist, ist eben Angst. In diesem Fall die Angst davor, uns in Zukunft vielleicht schämen zu müssen. Nehmen wir aber nun mal an, dass wir schon einen Haufen Artikel gelesen haben und jetzt gerade nicht glauben, dass in diesem Artikel etwas besonders Unverständliches auftauchen wird. Dann ist diese Angst wahrscheinlich nicht der Hauptgrund für unser Unbehagen. Vermutlich ist es dann eher die Angst, dass das Durcharbeiten des Artikels langwierig, zäh und zeitraubend sein wird. Ein außenstehender Beobachter könnte jetzt fragen: Na und? Wo ist das Problem? Warum darf das nicht einfach langwierig sein? Und genau hier kommt unser Effizienzanspruch ins Spiel.

Das ist der dritte Schritt der Übung: Welcher Anspruch steckt hinter der Angst? Warum ist es nicht in Ordnung, wenn das eintritt, was wir befürchten? In unserem Fall hier ist es ein Effizienzideal, das als Maßstab fungiert. Weil wir den Anspruch an uns selbst anlegen, effizient, zügig und geschmeidig mit allen Aufgaben fertig zu werden, ist es eben nicht ok, wenn ein Artikel relativ lange Zeit benötigt, um vollständig bearbeitet zu werden. Unser Effizienzanspruch sagt uns, dsas wir schneller fertig werden müssen. Aber wozu haben wir diesen Anspruch eigentlich?

Der vierte Schritt: Welches Bedürfnis steht hinter dem Anspruch? Wofür war der Anspruch mal nützlich? Gewöhnlich ist es so, dass wir in der Kindheit die Erfahrung machen, dass wichtige Bedürfnisse nicht immer befriedigt werden. Darum suchen wir als Kinder nach Möglichkeiten, wie diese Bedürfnisse doch noch, wenigstens ein Stück weit, befriedigt werden könnten. Haben wir eine solche Möglichkeit entdeckt, versuchen wir, die entsprechende Verhaltensweise öfter auszuführen. Mit der Zeit nimmt diese Lernerfahrung dann die Form einer festen Regel an. Beispiel: „Du darfst keine Fehler machen!“ oder „Verhalte dich so, dass dich immer alle mögen!“ sind zwei Regeln, die dazu dienen, sicherzustellen, dass unser Bedürfnis nach Anerkennung befriedigt wird. Um die Befriedigung des Bedürfnisses nach Kompetenz zu garantieren, entwickeln viele von uns das Ideal, Aufgaben immer schön schnell und effizient zu erledigen. Dadurch kann man auch bei anderweitig unbefriedigenden Aufgaben ein Kompetenzerlebnis generieren.

Der fünfte und entscheidende Schritt: Jetzt haben wir alles zusammen, um den Hebel ansetzen zu können, der uns die Angst und damit das Unbehagen vor einer Aufgabe nehmen kann. Dazu gehen wir nochmals die Kaskade aus Bedürfnis, Anspruch und Gefühl rückwärts durch: Jeder Mensch, so auch ich, hat ein Bedürfnis nach Kompetenz. Es hat sich früher als sinnvoll erwiesen, die Befriedigung dieses Bedürfnisses zu sichern, indem ich mir den Anspruch auferlege, Aufgaben immer effizient erledigen zu müssen. So ein Anspruch macht aber nun, bei einer unbekannten Aufgabe, notwendigerweise, ganz zwangsläufig Angst, ihm nicht gerecht werden zu können. Ich kenne die Aufgabe noch nicht – woher soll ich also wissen, ob ich in der Lage sein werde, diese Aufgabe effizient erledigen zu können? Und genau wegen dieser Unsicherheit muss ich einfach Angst bekommen. Es besteht also ein logischer und zwangsläufiger Zusammenhang zwischen meinem natürlichen Bedürfnis nach Kompetenz und der Angst und Vermeidungstendenz, die ich jetzt gegenüber dieser neuen Aufgabe habe! Und was haben wir davon, dass der Anspruch an Effizienz hier Angst macht? Wir vermeiden die Aufgabe. Und das führt dazu, dass wir uns mit dieser Aufgabe eben kein Kompetenzerlebnis verschaffen können! Das bedeutet: Der Anspruch an Effizienz konterkarriert seine ursprüngliche Aufgabe! Er war ursprünglich dazu da, uns mit einem konstanten Fluss von Erfolgserlebnissen zu versorgen, so dass unser Bedürfnis nach Kompetenz möglichst ununterbrochen gefüttert wird. Und was passiert hier? Das Gegenteil! Der Anspruch an Effizienz sorgt dafür, dass wir gerade kein Erfolgserlebnis haben werden! Stattdessen müssen wir Angst davor bekommen, dem Anspruch nicht gerecht zu werden, und darum die Aufgabe vermeiden. Das Effizienzideal schießt sich selbst ins Knie und wirft dem Bedürfnis nach Kompetenz Steine in den Weg.

Der sechste Schritt: Mit dieser Erkenntnis können wir uns nun zurücklehnen und sagen, dass wir das Effizienzideal an dieser Stelle, bei dieser Aufgabe nicht benötigen. Wir haben eben logisch bewiesen, dass es sich hier ins Gegenteil verkehrt, weswegen wir es jetzt losloassen, um uns selbst etwas Gutes zu tun. Wir werden uns besser fühlen, weniger Angst haben und zufriedener sein, wenn wir der Erkenntis, dass Effizienz hier ein schädlicher Anspruch ist, folgen und diesen Anspruch für – bei dieser Aufgabe – ungültig erklären.

Der siebte Schritt: Jetzt können wir uns wieder der Aufgabe zuwenden und anerkennen, dass sie uns unbekannt ist, wir nicht wissen, wie lange die Bearbeitung dauern wird und ob wir auf Hindernisse stoßen werden. Wir fangen trotzdem mit der Aufgabenbearbeitung an, weil es ok ist, wenn es länger dauern wird. Wir nehmen die Welt so, wie sie ist, und widmen uns der Aufgabe mit all ihren individuellen Eigenheiten.

Anmerkungen zur Umsetzung

Diese Ausführungen bedeuten nicht, dass Effizienz anzustreben immer ungünstig oder falsch ist. Der Witz ist, zu verstehen, wie der Anspruch an Effizienz bei bestimmten Aufgaben schädliche Wirkung entfaltet. Geht man die zuvor beschriebenen Schritte jedes Mal durch, wenn man vor einer Aufgabe steht, die man unangenehm findet und deswegen aufschiebt, dann wird sich mit der Zeit der Anspruch reduzieren. Das Effizienzideal wird seine Gültigkeit und Verbindlichkeit an dieser Stelle verlieren. Das geht bei den meisten Leuten natürlich nicht über Nacht. Man muss sich eher vorstellen, dass dieses Effizienzideal ein großer Steinklotz ist, der dir den Weg zu zufriedenstellender Aufgabenbearbeitung versperrt. Und jedes Mal, wenn du diese Übung hier machst, dann nimmst du ein Schleifpapier und reibst eine kleine Schicht von diesem Stein ab. Der Effekt ist bei der einzelnen Durchführung vielleicht nicht riesengroß, aber langfristig ist der Steinklotz verschwunden. Für die einzelne Durchführung reicht es völlig aus, wenn du hinterher ein klein bisschen weniger stark die Aufgabe vermeiden willst. Wenn es dir ein kleines bisschen leichter fällt, an die Aufgabe ran zu gehen, dann hat die Übung funktioniert. Also keine Wunder erwarten, auf die Stetigkeit kommt es an. Was aber nicht bedeutet, dass bei vielen Teilnehmern nicht schon nach dem ersten Mal eine gewaltige Last abfällt!

Also: Probiere das für dich und deine Aufgabe aus und kommentiere hier, welche Erfahrungen du damit gemacht hast!

Wie man to-Do-Listen so nutzt, dass sie keine schlechte Stimmung erzeugen

Der übliche Weg: Man hat eine Liste, auf der einfach alle Arten von Erinnerungen drauf stehen, was man alles noch tun möchte. Wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, dann hat man eine unbestimmte Anzahl von Zetteln, die irgendwo herumfliegen, dazu noch ein paar Post-its, die irgendwo kleben und Erinnerungen im Handy… Aber gehen wir von dem vergleichsweise günstigen Fall aus, man hat bereits ein funktionierendes System, Erinnerungen an zu erledigende Aufgaben festzuhalten.

Das Problem hierbei ist nun, dass diese Listen für viele to-Do-Listen-Verwender die Tendenz haben, immer länger und nicht kürzer zu werden. Es kommen neue Aufgaben hinzu, aber die alten gehen nicht weg. Das ist frustrierend. Eine Ursache kann klassische Prokrastination sein – heißt, wir schieben Aufgaben auf, auf die wir keine Lust haben, obwohl wir sie uns vorgenommen hatten, und machen stattdessen etwas anderes. Um die Ursache für diese Tendenz anzugehen, gibt es den Kurs hier. Aber in vielen Fällen ist es gar nicht unbedingt die eigene Hemmung, eine Aufgabe anzugehen, sondern die Art, wie die to-Do-Liste selbst geführt wird, ist für den Frust verantwortlich. Wie das?

Typische Fehler im Umgang mit to-Do-Listen

  • Zielzustände statt Handlungen
  • ganze Projekte statt jeweils nächster Schritt
  • Listen mit Aufgaben, die in dem Moment, in dem man drauf sieht, gar nicht erledigt werden können
  • to-Do-Liste als Disziplinierungstool

Zielzustände statt Handlungen

Wir schreiben gerne einzelne Schlagworte auf die to-Do-Liste: „Küche“ oder „Dissertation“ oder „zufrieden sein“. Solche Einträge motivieren nicht sonderlich dazu, diese Aufgaben anzugehen, da sie nicht ausführbar sind. Die Aufgabe „Küche“ beinhaltet nicht, was eigentlich zu tun ist. Schreibe ich stattdessen „das Geschirr in die Spülmaschine räumen“, dann ist wesentlich klarer, was ich eigentlich tun soll. Ich brauche diese Aussage nur zu lesen und kann sie direkt umsetzen. Die kritische Leserin mag nun einwenden, dass man bei „Küche“ ja schon sehr genau wüsste, welche Handlung sich dahinter verbergen, und sich deswegen nicht die Mühe zu machen brauche, das nochmals extra festzuhalten. Das stimmt in diesem Fall natürlich – aber es macht trotzdem einen Unterschied! Denn unser Gehirn muss eben doch den Eintrag auf der to-Do-Liste erst in eine Handlung umformulieren. Das ist eben ein Gedankenschritt zusätzlich. Und genau dieser kleine Zusatzaufwand kann das Quäntchen zu viel sein, das dann die Erledigung dieser Aufgabe verhindert. Darum vergrößert es die Ausführungswahrscheinlichkeit von Eintragungen auf der to-Do-Liste deutlich, wenn sie als Handlung formuliert werden. Ein guter Indikator dafür ist, ob da auch ein Verb enthalten ist. Beispiele: „Räume die Küche auf!“ funktioniert ein Stück wahrscheinlicher als „Küche“. „Recherchiere nach Literatur und fasse diese zusammen“ funktioniert wahrscheinlicher als „Literaturarbeit“.

Projekte statt nächster Schritt

In obigem Beispiel „Küche aufräumen“ war auch schon ein weiterer typischer Fehler enthalten. Denn was heißt das eigentlich: Wann ist die Küche denn aufgeräumt? Welche einzelnen Handlungen sind denn dazu konkret erforderlich? Gespültes Geschirr aus der Spülmaschine herausräumen und dreckiges Geschirr wieder hineinräumen? Oder auch das Wischen des Küchenbodens? Oder müssen nur die Tischflächen abgewischt werden? Hinter der unscheinbaren Aufgabe „Küche aufräumen“ verbirgt sich also womöglich ein ganzes Projekt. Das ist auch eine der Kernideen des to-Do-Listen-Managementsystems von David Allen, Getting Things Done (GTD). Alles, was nicht mit einem einzigen Arbeitsschritt erledigt werden kann, ist kein to-Do, sondern ein Projekt. Eine passable Richtschnur zur Unterscheidung von Einzelhandlungen und Projekten ist die Frage: Kann diese Aufgabe innerhalb von 20 Min erledigt werden? Falls nein, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um ein Projekt, das aus mehr als einem Einzelschritt besteht, sehr hoch. Aber auch schon kürzere Aufgaben können ein Projekt sein. Beispiel: Es ist Frühling, und so langsam wird definitiv kein Schnee mehr kommen, ich sollte also die Winterrreifen gegen Sommerreifen ersetzen. Das macht die Werkstatt. Ein to-Do auf meiner Liste könnte also sein: „Termin zum Reifenwechsel ausmachen“. Es ist gut möglich, dass diese Aufgabe länger liegen bleibt, da es sich in Wirklichkeit um ein kleines Projekt handelt, wozu aber der nächste Einzelschritt nicht festgehalten wurde. Denn ich muss vermutlich zuerst die Telefonnummer der Werkstatt raussuchen, dann meinen Terminkalender holen, überlegen, wann es mir zeitlich passen würde, und erst dann kann ich die Werkstatt tatsächlich anrufen, um den Termin auch zu vereinbaren. Um die Ausführungswahrscheinlichkeit zu erhöhen, muss ich also zu jedem Projekt auch formulieren, was der nächste Handlungsschritt ist. In diesem Fall sollte auf meiner Liste stehen: „Telefonnummer der Werkstatt raussuchen“.

Listen mit Aufgaben, die gar nicht erledigt werden können

Sehen wir uns das Beispiel mit dem Werkstatttermin nochmals aus einer anderen Perspektive an. Stellen wir uns vor, ich habe tatsächlich schon die Telefonnummer herausgesucht und Zeitfenster definiert, wann mir ein Termin in den Kram passen würde. Und jetzt kann ich anrufen, oder nicht? Nein, denn es ist schon nach 18 Uhr, und da ist in der Werkstatt niemand mehr da… Ich habe also alles richtig gemacht, und trotzdem scheitert die Erledigung meiner Aufgabe. Ich bin motiviert, eine Aufgabe von meiner Liste zu erledigen, schaue also auf meine to-Do-Liste, nehme die erstbeste Aufgabe und kann sie doch nicht abschließen. Das zermürbt mich auf zweierlei Art: Zum einen muss ich bei jeder Aufgabe, die auf der Liste steht, vor der Ausführung weitere Überlegungen („kann ich das jetzt gerade überhaupt tun?“) tätigen und das bremst mich erstens und bietet zweitens eine Gelegenheit, die Motivation, etwas von der Liste zu erledigen, wieder zu verlieren („Och nö, das geht ja alles gar nicht, dann mache ich eben was ganz anderes…“). Zum anderen verliere ich dadurch auch das Vertrauen in diese to-Do-Liste als nützliches Werkzeug für mein Aufgabenmanagement. Ich werde dadurch weniger motiviert sein, überhaupt alle Aufgaben dort einzutragen, was das Vertrauen und die tatsächliche Nützlichkeit noch weiter reduzieren wird. Ich brauche also eine Lösung, die diesem Effekt vorbeugt. Und diese Lösung sind im „Getting Things Done“-System kontextspezifische Listen. Der Trick ist, für verschiedene Kontexte separate to-Do-Listen zu führen. Ich selbst habe z.B. eine Liste „@Computer“, auf der alle Aufgaben notiert werden, die ich erledigen kann, wenn ich am Computer sitze. Und eine Liste @Zuhause, auf der ich notiere, was ich in meiner Wohnung tun kann. Und eine @Besorgungsgang, was einer Art erweiterten Einkaufsliste entspricht, @Büro (selbsterklärend) und @Anrufe zu Geschäftszeiten, um oben beschriebenes Problem zu lösen. Abgesehen von diesen individuellen, auf meine Situation zugeschnittenen Listen gibt es im GTD-System standardmäßig noch spezielle, generische Listen:

  • eine Projektliste, in der ich alle Projekte sammle (und dann zu jedem Projekt auf einer der anderen Liste auch einen nächsten Handlungsschritt notiere),
  • eine „Inbox“, in der ich im Tagesverlauf erstmal alle spontan hinzukommmenden Aufträge, Sachen etc. sammle, bei denen ich nicht auf Anhieb entschieden habe, ob sich da nicht ein Projekt dahinter verbirgt, oder ich die nächste Handlung noch nicht definiert habe,
  • eine „Warten auf“-Liste, in der ich notiere, wenn ich auf die Erledigung eines Handlungsschrittes durch jemanden anderen warte (dient dazu, dass ich regelmäßig nachhaken kann, falls erforderlich, also auch Aufgaben, die ich delegiert habe, nicht aus den Augen verliere), und
  • eine „Irgendwann / vielleicht“-Liste, in die alle Aufgaben verschoben werden, die länger auf einer der Kontextlisten stehen, aber nicht erledigt werden und auch nicht unbedingt erledigt werden müssen. Diese Liste geht man dann von Zeit zur Zeit durch und kontrolliert, ob man einen Eintrag davon vielleicht doch wieder auf eine der Kontextlisten setzen möchte.

to-Do-Liste als Disziplinierungstool

Die vorangegangenen Aspekte beziehen sich alle auf die Art, wie man eine to-Do-Liste so führt, dass sie ihren Zweck möglichst gut erfüllen kann. Aber was genau ist eigentlich der Zweck einer to-Do-Liste? Wenn man genau hin sieht, dann stellt man fest, dass sie bei den meisten Leuten eine Doppelfunktion hat. Einerseits dient sie einfach als Gedächtnisstütze: Damit ich nicht alles immer im Kopf behalten muss, schreibe ich es auf. Und dann kann ich, wenn ich gerade Zeit zur Aufgabenerledigung habe, auf die zum jeweiligen Kontext passende Liste sehen und die Aufgabe auswählen, die ich gerade bearbeiten möchte. In dieser Funktion ist ein funktionierendes to-Do-Listen-System für die meisten Leute unverzichtbar. Es entlastet und sorgt dafür, dass man nichts vergisst.

Ein Teil der Menschen, die to-Do-Listen führen, benutzt diese Listen aber noch in einer weiteren Funktion: Sie motivieren sich über die Liste. Dann kommt zur Unterstützungsfunktion des Gedächtnisses noch ein Imperativ hinzu. Jeder Eintrag trägt dann auch noch den unausgesprochenen Befehl mit sich „Erledige mich jetzt sofort!“. Dahinter steht das Ideal einer leeren to-Do-Liste. Die betreffende Person möchte, dass alle Aufgaben erledigt sind. Sie strebt kontinuierlich danach, alle Aufgaben von der Liste abzuhaken, bis nichts mehr drauf steht. Diese Haltung, mit to-Do-Listen umzugehen, birgt allerdings Probleme. Am besten erzähle ich dazu eine Geschichte aus meinem eigenen Leben. Während meines Studiums hat diese Art, meine Aufgaben zu managen, noch halbwegs funktioniert. Manche Dinge standen zwar länger darauf, aber irgendwann waren auch sie abgehakt. Regelmäßig endete mit der letzten Klausur und dem Beginn der Semesterferien auch die Zeit voller Verpflichtungen. Spätestens dann war das meiste abgeschlossen und die to-Do-Liste ruhte mehr oder weniger bis zum nächsten Semester. Doch mit dem Ende des Studiums und dem Beginn von Promotion und Tätigkeit als Angestellter änderte sich das plötzlich. Ich musste schmerzhaft feststellen, dass meine to-Do-Liste nie wieder leer wurde. Ein konstanter Fluss von Aufgaben sorgte dafür, dass ständig neue Aufgaben nachkamen, auch wenn ich mich noch so sehr bemüht hatte, mit meiner Liste fertig zu werden. Ich befand mich in einem perfekten Hamsterrad: Ich renne und renne bei dem verzweifelten Versuch, am Ende der Liste anzugelangen, aber komme doch nicht vom Fleck. Für jede Aufgabe, die ich als erledigt abstreiche, kommen zwei neue nach… Ich war frustriert.

Mein prozessorientierter Umgang mit to-Do-Listen

Irgendwann dämmerte mir dann, dass der Mangel an „Erfolg“ bei der Aufgabenerledigung nicht meine Schuld war, weil ich etwa zu undiszipliniert oder zu langsam oder zu ineffizient arbeiten würde, sondern natürlicher Bestandteil meiner neuen Lebensphase. Ich hatte keine Chance, eine leere to-Do-Liste zu erreichen. Das Ideal einer vollständig abgearbeiteten Liste war die Karotte, die vor mir baumelte, die ich aber doch nie erreichen konnte. Und damit war eine dauerhafte Unzufriedenheit mit mir selbst programmiert. Darum habe ich es aufgegeben, mich über die to-Do-Liste motivieren bzw. disziplinieren zu wollen. Stattdessen verwende ich sie nun nur noch in der ersten Funktion als Gedächtnisstütze, aber nicht mehr mit dem Ziel, alle Aufgaben darauf „wegkriegen“ zu wollen. Die wichtigen, langfristigen Aufgaben bzw. Projekte delegiere ich stattdessen an Gewohnheiten. Für meine Promotion z.B. notiere ich nur noch die Sachen, die ich andernfalls vergessen würde – ich notiere aber nicht mehr, was ich als nächstes tun werde, wenn mir das ohnehin klar ist (z.B. an der Textstelle weiterarbeiten, an der ich ohnehin schon seit Wochen arbeite). Meine to-Do-Listen sind für mich jetzt ein Pool von Möglichkeiten, wo ich mir eine herauspicke, wenn ich mit meinen wichtigen, längerfristigen Aufgaben durch bin, und mich frage, was ich jetzt tun könnte. Dann werfe ich einen Blick in die passende Kontextliste und suche mir was aus. Für alle, die mit den Begriffen Ergebnisorientierung und Prozessorientierung schon vertraut sind: Was ich hier getan habe, ist, die Ergebnisorientierung in Hinblick auf to-Do-Listen aufzugeben. Mir ist es jetzt nicht mehr wichtig, ob da noch Aufgaben auf der Liste stehen und ob diese Aufgaben da möglichst schnell verschwinden. Stattdessen konzentriere ich mich darauf, meine Zeit mit den wichtigen Aufgaben zu verbringen und dabei möglichst zufrieden vor mich hin zu werkeln. Mit dieser prozessorientierten Haltung gelingt mir deutlich mehr als früher bei deutlich gesteigerter Lebenszufriedenheit.

Ist das bei dir vielleicht genauso?

Es gibt keine schweren Aufgaben

Nicht per se. Keine Aufgabe ist leicht oder schwer. Wir finden sie nur leicht oder schwer. Der Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe ist nur eine Frage der Bewertung, er existiert nicht unabhängig von dem Menschen, der sie bewertet. Ohne Maßstab keine Schwierigkeit.

Beispiel: Eine Flasche Milch zu öffnen, ist eine leichte Aufgabe. Wirklich? Gib die Flasche mal einem einjährigen Kind… oder einer Person mit schlimmem Rheuma in den Fingergelenken… Die Flasche zu öffnen, ist leicht für all diejenigen, die die körperlichen und koordinativen Fähigkeiten dafür schon mitbringen. Und schwer für alle anderen.

Anderes Beispiel: Eine Dissertation zu schreiben, ist eine schwere Aufgabe. Wirklich? Für wen? Für denjenigen, der noch nie eine Dissertation geschrieben hat – vielleicht. Aber denk mal zurück: Wie schwer würde es dir heute fallen, wenn du deine erste Hausaufgabe/Hausarbeit/Seminararbeit/Abschlussarbeit etc. nochmals machen würdest? Leichter als damals, beim ersten Versuch? Also, wie schwer wäre deine Dissertation wohl für dich, wenn du sie, nachdem du Professor*in geworden bist, in 20 Jahren nochmals schreiben würdest – nach hundert anderen wissenschaftlichen Artikeln und fünf Monographien, die du in der Zwischenzeit geschrieben hast? Der Schwierigkeitsgrad, den du aktuell empfindest, existiert nur in deinem Kopf. Das wusste schon Seneca:

„Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht,
sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.“

Also, wenn du das nächste Mal vor einer Aufgabe sitzt und Angst hast, dass du ihr nicht gewachsen bist: Das ist normal! Und es ist nicht real. Ob du der Aufgabe gewachsen bist oder nicht, bevor du damit beginnst – so what? Es ist normal, etwas nicht zu können, das man gerade zum ersten Mal macht. Deswegen ist die Aufgabe weder schwer noch leicht. Du weißt vielleicht nicht, wo der Weg lang führt und wie genau man die einzelnen Schritte ausführt. Das ist normal! Du wüsstest es, wenn du den Weg schon zig Mal begangen wärest. So wie dein täglicher Weg zur Arbeit/Uni… da überlegst du auch nicht mehr, wo du wie lang laufen musst. Und bei deiner Dissertation ist es genauso: Wenn du einen Schritt bereits hundert Mal ausgeführt hast, dann scheint dir dieser Schritt leicht – obwohl er noch genauso schwer oder leicht ist wie beim ersten Mal. An der Aufgabe hat ich nichts geändert – aber an deinen Routinen, deinen Fähigkeiten und darum deiner Einschätzung dieser Aufgabe. Wenn du also mal wieder vor einer Aufgabe stehst, die dir schwer scheint: Der empfundene Schwierigkeitsgrad ist nicht real! Eines Tages wirst du in jedem Fall diese Aufgabe mit Leichtigkeit meistern können – egal, wo du heute stehst. Fang an, irgendwo eine Bresche in den Dschungel zu schlagen. Ganz egal wo. Und wenn du nicht da rauskommst, wo du hin wolltest, dann gehst du nochmal zurück und fängst von vorne an. Und dann nochmal. Und nochmal. Und irgendwann ist es so leicht für dich, dass du gar nicht mehr über die „Schwierigkeit“ der Aufgabe nachdenkst…

Nie wieder Aufschieben in 3 einfachen Schritten

Das war der inoffizielle Titel einer Veranstaltung, die ich gestern zusammen mit einer Gruppe von Doktoranden am GraduateCenter der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt habe. Die Veranstaltung gliederte sich in zwei Teile: einen Vortrag und einen Übungsteil. Den Vortragsteil kannst du dir hier als Video ansehen:

Im anschließenden Übungsteil haben die Teilnehmer ihren ersten kleinen Gewohnheitsplan entwickelt und diskutiert. An alle Teilnehmer: Ich wäre sehr gespannt zu hören, wie die Umsetzung in den nächsten Wochen angelaufen ist! Schreib mir einfach eine kurze Nachricht!

Schriftliche Fassung des Vortrags

So überwindet man Prokrastination in drei einfachen Schritten

  • Schritt 1:
    Verinnerliche die Tatsache, dass Prokrastination nicht das Problem, sondern bereits die Lösung ist!
    Höre auf, deine Prokrastination als deine Schuld oder dein Versagen zu begreifen, sondern verstehe, dass Prokrastination eine natürliche Folge auf eine starke Ergebnisorientierung ist!
  • Schritt 2:
    Vergiss das Ergebnis!
    Verringere den Fokus auf das Ergebnis, indem du dich auf den Prozess des Arbeitens selbst, also auf die Ausführung der Tätigkeiten statt auf die Ergebnisse, die du durch diese Tätigkeiten erzielst, konzentrierst!
  • Schritt 3:
    Nimm dir 5 Minuten Zeit und gewinne die Kontrolle über dein Leben zurück!
    Steuere dein Leben durch Gewohnheiten! Dein Leben besteht aus den Tätigkeiten, mit denen du deine Zeit verbringst. Die meisten davon sind wiederkehrend. Wenn es dir gelingt, diese Gewohnheiten aktiv so zu formen, dass sie deiner Lebenszufriedenheit dienen, dann hast du den Königsweg zu mehr Zufriedenheit gefunden. Und als Bonus bekommst du das Gefühl (zurück), dein Leben selbst in der Hand zu haben.

Das war die Kurzversion. Für alle, die mehr wissen möchten, will ich die einzelnen Schritte nun ausführlicher erklären.

Schritt 1

Prokrastination heißt, eine geplante Handlung zu verschieben, obwohl man glaubt, durch dieses Verschieben auf lange Sicht schlechter dran zu sein. Das heißt, Prokrastination ist etwas enger definiert als der Begriff landläufig verwendet wird. Zur Abgrenzung zwei andere Produktivitätshindernisse: Wenn ich jede Menge arbeite, aber eigentlich gar nicht weiß, welche Ziele ich verfolgen soll und welche Wichtigkeit welches Ziel hat, dann habe ich ein Entscheidungsproblem, kein Prokrastinationsproblem. Wenn ich allerdings schon weiß, was wichtig ist und was nicht, aber nicht dazu komme, das Wichtige zu machen, dann habe ich womöglich ein Planungsproblem und kann lernen, besser zu planen. Das hier vorgestellte und im Kurs angewandte Konzept ist genau auf das Phänomen Prokrastination hin entwickelt worden. Zur Lösung der beiden anderen Probleme sind herkömmliche Angebote zum Selbst- und Zeitmanagement gut geeignet.

Ein alter Klassiker der Psychologie ist, das Verhalten und Erleben von Menschen durch eine Interaktion von Personen- und Umweltfaktoren zu erklären. Weder Person noch Umwelt ist je ausschließlich allein für das Zustandekommen irgendeiner menschlichen Regung verantwortlich. Das heißt im Arbeitskontext: Unser Erleben, wie z.B. unsere Stimmung, hängen zum einen davon ab, wie wir an unsere Arbeit herangehen, d.h. mit welcher Haltung wir arbeiten. Und zum anderen bestimmen die Eigenschaften der Aufgabe und die Rahmenbedingungen, also Umweltfaktoren, unsere Zufriedenheit.

Die meisten Menschen entwickeln in unserem Gesellschaftssystem eine starke Ergebnisorientierung. Gerade in der Schule ist nicht gefragt, wie ich die Lateinhausaufgabe finde oder welche Gefühle ich bei der Bearbeitung habe – es zählt allein, dass ich sie am nächsten Tag vorzeigen kann, wenn die Lehrerin danach fragt. Es geht darum, keinen Ärger zu bekommen, vielleicht gute Noten zu schreiben – aber mein persönliches Empfinden dabei ist irrelevant. Im Gegenteil, gerade diejenigen, denen es gelingt, unabhängig von ihrer eigenen Lust und Unlust jede Aufgabe zu bearbeiten, die von ihnen verlangt wird, schneiden in der Schule gut ab und studieren später. Das heißt, eine starke Ergebnisorientierung wird vom System belohnt. Später hängt es dann allein von der Aufgabe und anderen Umweltcharakteristika ab, wie eine ergebnisorientierte Person sich fühlt.

Nehmen wir nun an, eine solche ergebnisorientierte Person entschließt sich zu einer Aufgabe, die allerdings ein fernes, unklares und unkontrolliertes Ziel darstellt. Wie z.B. eine Promotion. Das Ziel ist fern, weil es erst nach Jahren erreicht sein wird – statt wie früher bei der Hausaufgabe in der Schule am nächsten Tag. Das Ziel ist unklar, weil ich mit einer Forschungsarbeit Neuland betrete, wo mir im Voraus keiner sagen kann, wann welcher Arbeitsschritt beendet sein wird und was genau überhaupt am Ende in der Abschlussarbeit drinzustehen hat. Das ist ja die Idee von Forschung: Was zu machen, was vor mir noch niemand genau so gemacht hat. Das Ziel wird außerdem nicht von außen sozial kontrolliert, d.h., es fragt mich niemand, schon gar nicht täglich, ob ich meine Hausaufgabe auch gemacht habe. Ist ja auch so gedacht, soll ja eine eigenständige Forschungsarbeit sein. Alles zusammen bedeutet aber, dass ich keine echten Erfolgserlebnisse haben werde, da ich ja nie weiß, ob ich jetzt mit einem Zwischenschritt fertig bin oder nicht, das eigentliche Ziel in weiter Ferne liegt und auch niemand von außen sagt, wie gut ich gerade abschneide. Meine Ergebnisorientierung braucht aber diese Erfolge. Darauf ist sie getrimmt. Und ohne Erfolg sinkt die Stimmung zwangsläufig ab. Das Problem ist, dass miese Stimmung mit einem Verlust von Handlungsfähigkeit einher geht. Ich bin dann wie gelähmt und unfähig, noch irgendeine Handlung zu initiieren. Antriebslosigkeit nennt der Psychologe das. Und das ist schlecht für mich.

Prokrastination bietet hier jetzt den perfekten Ausweg: Ich ersetze einfach diese Aufgabe, deren Ende fern, unklar und unkontrolliert ist, durch eine Aufgabe, die schnell und zuverlässig zu Erfolg und einem Gefühl der Befriedigung führt: Schnell Mails checken und beantworten – voilà, Aufgabe abgeschlossen! Ergebnisorientierung glücklich. Typisches Prokrastinationsverhalten bringt also die positive Stimmung zurück und hält mich handlungsfähig. Warum ist das gut? Weil ich weiterhin für Nahrung sorge („ach, ich könnte ja erst noch was essen“), meine Umgebung sauber halte („die Wohnung müsste auch mal wieder gesaugt werden“) oder meine Einbindung in eine soziale Gruppe pflege („was wohl meine Leute gerade so treiben? Schnell mal Whatsapp/Facebook/Snapchat/… checken“). Ich bleibe also am Leben. Aus einer evolutionären Perspektive ist es nämlich völlig irrelevant, ob ich mit meiner Promotion voran komme oder nicht. Wichtig ist, dass ich handlungsfähig bleibe, um mein tägliches Überleben zu sichern.

Bis hierhin ist hoffentlich klar geworden, dass Prokrastination kein Problem, sondern eine zwangsläufige und nützliche Reaktion auf eine starke Ergebnisorientierung in Kombination mit einem fernen, unklaren und extern unkontrollierten Ziel ist. Die Alternative zur Prokrastination würde Depression lauten.

Schritt 2

Wenn ich aber trotzdem keine Lust mehr auf mein Prokrastinationsverhalten habe, dann muss ich an mir selbst ansetzen, statt die Aufgabe auszutauschen. Was ich brauche, ist eine andere Arbeitshaltung. Diese habe ich Prozessorienterung getauft. Beschrieben wird die dahinter stehende Haltung aber schon seit Jahrtausenden von Weisheitslehrern aller Kulturen. Eine schöne Veranschaulichung bietet z.B. dieses Video:

(Mein Dank geht an einen früheren Kursteilnehmer, der dieses Video mit mir geteilt hat)

Die Grundidee von Alan Watts ist: „Das Leben ist wie ein Musikstück, zu dem getanzt wird. Es kommt nicht darauf an, mit welchem Ton die Musik endet oder an welcher Stelle im Raum sich die Tänzer dann befinden. Es kommt vielmehr auf den Tanz selbst an.“

Und die Lebensphase, in der du dich gerade befindest, ist Teil dieses Tanzes. Dein Leben startet nicht danach, wenn du deine Aufgabe abgeschlossen hast, denn direkt danach werden neue Aufgaben kommen und neue Ziele wollen erreicht werden. Dein Leben geschieht, während du versuchst, Ziele zu erreichen. Der Moment, wenn du ein Ziel erreicht hast, ist kurz. Extrem kurz. Die Freude über die Abgabe einer Dissertation währt vielleicht ein paar Tage. Maximal. Oder auch nur bis zur verpassten S-Bahn auf dem Heimweg vom Prüfungsamt… Diese Freude ist lächerlich im Vergleich zu den Jahren, die es gebraucht hat, die Arbeit zu erstellen. Gestalte daher dein Leben so, dass dieser Weg, diese Jahre attraktiv sind und dich zufrieden machen – nicht das Erreichen von Ergebnissen. Diese sind flüchtig – und zu allem Überfluss auch noch unkalkulierbar, d.h. es liegt meistens nicht (allein) in deiner Macht, was bei einer Handlung herauskommt. Versuche, von diesen Erfolgen unabhängig zu werden. Und das geht so:

Zuerst brauchst du ein tiefes Verständnis dafür, wie Ergebnisorientierung das Aufschieben von Aufgaben erzeugt. Vielleicht hast du das nach der bisherigen Lektüre jetzt schon erreicht – sehr gut!

Dann änderst du die Art, wie du deinen Tag planst. Plane Zeitslots statt Ergebnisse. Sage dir: Morgen Vormittag arbeite ich zwei Stunden an der Analyse statt zu sagen, morgen Vormittag schließe ich die Analyse ab. Denn was passiert, wenn du während der Analyse auf ein Problem triffst, das du nicht vorhersehen konntest? Prozessorientiert betrachtet hast du dein Ziel, den Vormittag mit der Analyse zu verbringen, trotzdem erreicht. Ergebnisorientiert ist es allerdings ein Misserfolg: Du hast die Analyse nicht abschließen können. Das allerdings lag von Anfang an nicht in deiner Hand! Also: Plane keine Ergebnisse, sondern reserviere Zeit für eine Aufgabe ohne zu erwarten, dass sie in dieser Zeit abgeschlossen sein muss.
Ein Schritt weiter gedacht bedeutet dies, gar nicht zu definieren, wie lange eine Beschäftigung dauern sollte, sondern direkt eine Handlung zu definieren. Z.B. so: „Morgen nach dem Aufstehen und einem kurzen Gang ins Bad starte ich meine Fitness-App und mache die Übungen, die mir da vorgeschlagen werden.“ Ob das 10 oder 20 Min dauert, kann dir bei dieser Art von Planung egal sein – der Erfolg ist dir sicher.
Da die meisten Aufgaben, die du  in deinem Alltag bearbeitest, vermutlich wiederkehrende Aufgaben sind, macht es Sinn, deren Bearbeitung gleich zu automatisieren und eine Gewohnheit daraus zu basteln, so dass du dir die ganze Planung gleich ganz schenken kannst und direkt zur Tat schreitest, ohne dich extra dazu motivieren zu müssen. Siehe Schritt 3.

Über diese Änderungen hinaus kannst du auch in deinem Leben als ganzes mehr Prozessorientierung trainieren. Gute Möglichkeiten sind regelmäßige Meditation, andere Achtsamkeitsübungen (google das bei Bedarf mal) oder das Führen eines Tagebuchs, in dem du dich auf das Erleben während deiner täglichen Aufgaben konzentrierst – statt auf die Ergebnisse, die dabei als Nebenprodukt angefallen sind.

Schritt 3

Nicht nur die in Schritt 2 beschriebenen Gewohnheiten sind hilfreich, um die Prozessorientierung zu stärken. Die Konzentration auf die Ausführung jeder beliebigen Gewohnheit hilft dabei, prozessorientierter zu werden. Wenn ich eine Gewohnheit einführe, dann will ich, dass bestimmte Tätigkeiten einen festen Platz in meinem Leben erhalten. Ich konzentriere mich ganz auf die Ausführung der Handlung – eventuelle Ergebnisse sind erstmal nebensächlich.
Gewohnheiten sind aus einem weiteren Grund nützlich: Ich spare Willenskraft. Ich habe nämlich jeden Tag nur begrenzt Lust, meine inneren Impulse zu steuern und zu unterdrücken, meine Emotionen zu regulieren und andere anstrengende Leistungen der Selbstdisziplin auszuführen. Irgendwann ist meine Motivation, mich zu kontrollieren, erschöpft. Also wäre es doch super effizient, wenn ich für all die Aufgaben, die sowieso regelmäßig wiederkehren, keine Willenskraft nutze, sondern diese Tätigkeiten soweit automatisiere, dass ich gar nicht darüber nachdenken muss, ob ich die jeweilige Aufgabe mache oder nicht. Ich mache die Handlungsausführung per Gewohnheit zum Selbstläufer. Und spare meine Willenskraft so für die unvorhergesehen Ereignisse auf, die mein persönliches Eingreifen und Nachsteuern erfordern.

So, das hört sich vermutlich jetzt ganz toll an. Einziges Problem: Erfahrungsgemäß klappt die Einführung neuer Gewohnheiten nicht. Das weiß jeder, der schon mal an Silvester einen guten Vorsatz für das neue Jahr gefasst hat… Aus meiner Sicht liegt das aber nicht daran, dass es so schwer wäre, neue Gewohnheiten einzuführen, sondern der Grund ist viel banaler: Das notwendige Wissen, wie das geht, wird nirgendwo vermittelt! Wir lernen zwar in der Schule 100 Details über den Zitronensäurezyklus, aber nichts darüber, wie wir uns selbst effektiv steuern können! Und darum gibt es nun diese Plattform hier…

Wie führt man erfolgreich eine neue Gewohnheit ein? Durch genaue Planung! Und zwar nicht so: „Ab morgen fange ich mit gesunder Ernährung an“ – das ist nur ein vager Vorsatz. Was wir brauchen ist eine Planung, die versucht, so viele Unterstützung wie möglich in das Vorhaben zu integrieren. Ziel der Planung ist, dass ich im Vorfeld das Gefühl habe, die Integration der neuen Gewohnheit in meine Leben wird ein Kinderspiel, ein Spaziergang. Nur wenn ich bereit wäre, mein gesamtes Vermögen darauf zu wetten, dass ich diese Gewohnheit durchhalten werde, dann weiß ich, dass die Planung so viel Unterstützung beinhaltet, dass ich tatsächlich hervorragende Chancen habe, dass es langfristig klappen wird. Ich mache mir also einen Plan, damit ich so wenig wie möglich Selbstdisziplin brauche, und es so leicht wie möglich wird.

Es gibt sehr viele Unterstützungsmöglichkeiten. Im Kurs benutzen wir eine Menge davon. Hier stelle ich nur diejenigen vor, die aus meiner Sicht absolut notwendig sind. Aus meiner Erfahrung muss jedes der folgenden Elemente genutzt werden – wenn nur ein Aspekt fehlt, wird die Einführung der Gewohnheit wahrscheinlich scheitern. Das sind die absoluten Essentials der Gewohnheitsänderung:

  1. Es fängt bei der Auswahl der Gewohnheit an: Ich muss dasjenige Verhalten als neue Gewohnheit auswählen, das mir einen möglichst großen Zufriedenheitsgewinn verspricht – direkt während der Ausführung! Nicht erst Wochen später, wenn die Gewohnheit irgendwelche Früchte zeigen soll. Wenn ich mich für eine Gewohnheit entscheide, die ich nur deswegen wähle, weil ich damit irgendwohin kommen möchte, dann wird meine Motivation vermutlich nicht reichen.
  2. Der erste Schritt in Richtung dieser neuen Gewohnheit sollte so klein wie möglich sein. Nur 5 Minuten. Nur 5 Sätze in der Masterarbeit. Nur 5 Liegestütze, etc. Denke daran, dass du den Schritt auch unter ungünstigen Bedingungen (außergewöhnliche Termine, mehr Müdigkeit als sonst, Hunger, Zeitdruck, etc.) ausführen können willst. Das bedeutet aber nicht, dass die neue Gewohnheit unwichtig ist. Lass alles in deinem Leben so, wie es gerade ist, auch wenn dir auch andere Dinge nicht gefallen, und konzentriere dich nur auf diese eine Veränderung in deinem Leben. Stell dir vor: Wenn du in diesem Monat diese eine Sache so änderst, dass sie fest etabliert ist, und im nächsten Monat die nächste Verhaltensänderung in Angriff nimmst und im dritten Monat die übernächste… dann wirst du innerhalb eines Jahres ein völlig anderes Leben führen. Aber du kannst diese Veränderung nicht jetzt sofort haben. Wenn du versuchst, alles gleichzeitig zu ändern, wirst du am Ende überhaupt nichts ändern und du bist in einem Jahr noch genau da, wo du heute bist.
  3. Damit es klappt, aus deiner neuen Verhaltensweise eine automatische Gewohnheit werden zu lassen, brauchst du einen klaren und zuverlässigen Auslösereiz. Einen Trigger, auf den die neue Verhaltensweise folgen soll. Günstig sind große Veränderungen deiner Umgebung (ins Büro kommen, das Zimmer wechseln, etc.) oder Routinen, die schon fest in deinem Leben verankert sind (Zähneputzen, Essen, Aufstehen, etc.).
  4. Für die Automatisierung ist außerdem wichtig, dass die Verhaltensweise klar definiert ist und der Handlungsablauf bis ins Detail hinein jedes Mal möglichst gleich ist. Dann checkt dein Gehirn viel schneller, was auf den Trigger folgen soll. Und du musst keine Entscheidungen mehr fällen – denn jede Entscheidung ist die Möglichkeit, dich doch für was anderes zu entscheiden. Entscheidungspunkte sind Abzweigungen in Richtung Prokrastination. Also eliminiere Entscheidungen aus deinem Ablauf.
  5. Du brauchst eine Dokumentation deiner Gewohnheitsausführung. Andernfalls wird es dir in einer Woche egal sein, ob du heute deine Gewohnheit ausführst oder nicht. Nur, wenn die Ausführung sichtbar wird, hast du einen Anreiz, eine ununterbrochene Kette von erfolgreicher Handlungsausführung zu erzeugen. Das schafft Verbindlichkeit. Es ist faszinierend, wie unglaublich motivierend eine simple Reihe von Kreuzen auf einem weißen Blatt mit Wochentagen sein kann! Habe das Motto: Don’t break the chain!
  6. Der vielleicht wichtigste Tipp ist: Du brauchst Erinnerungen! Der häufigste Grund, eine neue Gewohnheit nicht auszuführen, ist, im entscheidenden Moment nicht daran zu denken. Klar, am Anfang bist du so motiviert, deine neue Gewohnheit auszuführen, dass du denkst: Das vergesse ich eh nicht. Aber es wird der Tag kommen, da ruft jemand just im falschen Moment an und du vergisst darüber, dass du ja noch deine Kraftübungen machen wolltest… Die feste Absicht, sich in einem bestimmten Moment an etwas zu erinnern, ist übrigens völlig wirkungslos. Das einzige, was hilft, sind Erinnerungen im Außen: Ein Wecker, der im richtigen Moment klingelt, ein Post-it, das genau an der richtigen Stelle platziert ist, eine andere Person, die nachhakt. Habe so viele Erinnerungen wie möglich. Noch mehr. Pflastere deine Wohnung mit Post-its. Und sorge für möglichst unterschiedliche Arten von Erinnerungen, so dass eine Variante greift, wenn eine andere versagt.

Das wars. Mit diesen drei Schritten bist du einem zufriedenen Leben, in dem Prokrastination einfach überflüssig wird, ein gewaltiges Stück näher. Falls du dir Unterstützung bei der Umsetzung dieser Schritte wünscht, um das Gelingen noch ein deutliches Stück in Richtung 100%-Erfolgswahrscheinlichkeit zu verschieben, melde dich zu einem Kurs an oder direkt bei mir für eine persönliche Beratung.